Interview

The Slapstickers - Addicted To The Road - 2015 The Slapstickers - Addicted To The Road - 2015

Interview im Auftrag des Dynamite Magazine 3/2015

 

Mit einem faszinierenden Rückblick begehen die neunköpfigen, sympathischen The Slapstickers aus Köln und Bonn ihr 20jähriges Bestehen und bleiben dabei ganz cool und mit dem Herzen immer nah an der pulsierenden Ska-Musik und ihren treuen Fans. Gigs mit Madness oder The Skatalites sind längst abgehakt und werden im Fotoalbum als spannende Erfahrung geführt - nicht mehr. Mit der neuen Scheibe im Gepäck werden Grenzen überwunden und neue, spannende Wege des Crowdfunding beschritten. Über ihr Geheimnis des jahrelangen Erfolges und die kommenden, innovativen Pläne haben wir mit ihnen palavert.

 

DerDUDE: „500 Gigs, 20 Jahre, neun Musiker, eine Leidenschaft: Ska-Musik!“ Beeindruckende Zahlen und ein großes Bekenntnis. Was geht in einem vor, der diese 20 Jahre von Anfang an mitbekommen hat?

 

Tobi: Einerseits bin ich sehr stolz, weil wir ja wirklich als Schüler angefangen haben und die Band alle beruflichen und persönlichen Veränderungen in den folgenden Jahren überdauert hat. Letztlich ist mir das auch wichtiger als die Anzahl der Konzerte oder der verkauften CDs, oder mit wem man schon gespielt hat usw., denn das klappt nur, wenn man verschiedene Vorstellungen unter einen Hut bekommt – und das ist manchmal wirklich nicht leicht. Andererseits habe ich unseren „Geburtstag“ irgendwie nur so am Rande zur Kenntnis genommen, weil sich mittlerweile das Gefühl eingestellt hat, dass die Band immer da war und immer da sein wird.

 

DerDUDE: Seit 2005 hat es kaum Umbesetzungen gegeben. Wer ist denn heute noch von den Gründungsmitgliedern dabei?

 

Tobi: Auch bis 2005 hat es auf einigen Positionen keine Wechsel gegeben. Deshalb spielt ein Teil der Band auch wirklich schon seit den späten 90ern zusammen. Wenn wir mal die ersten Wechsel rauslassen, sind Christian (Gesang), Phil (Hammond), Olli (Gitarre) und ich (Sax) konstant dabei. Ich glaube, das ist auch für die Leute wichtig, die zu den Konzerten kommen, vor allem hier in der Region: Man kennt sich schon unheimlich lange und vor oder nach dem Konzert gibt es eigentlich immer was zu erzählen. Das ist schon was anderes als bei den „da ist nur noch der Sänger dabei“-Bands.

 

DerDUDE: Was ist das Geheimrezept, so lange durchzuhalten und vor allem eine derartige Konstanz in den letzten zehn Jahren zu gewährleisten. Konzerttechnisch, personell und natürlich auch von den Veröffentlichungen her.

 

Tobi: Auf alle Fälle lieben wir die Musik, die wir machen. Das war von Anfang an so und hat einfach nicht aufgehört. Keiner wollte plötzlich was ganz anderes machen. Ska ist eben auch so vielfältig, dass jeder auch Einflüsse integrieren konnte, z.B. Swing, Rock oder Reggae. Außerdem spielt die Bandgröße eine Rolle: In so einer großen Gruppe kann man die Eigenheiten von jedem Bandmitglied viel besser auffangen als im Punk-Dreier – du musst nicht immer neben dem selben Typen im Bus sitzen! Die Konzerte laufen konstant, weil wir Stahl Entertainment das richtig gut für uns einfädelt und für die Veröffentlichungen haben wir auch immer noch Ideen – auch dank neuer Bandmitglieder, diesmal z.B. durch unseren neuen Gitarristen und Songwriter Andy.

 

DerDUDE: In 20 Jahren gab es sicherlich immer wieder Veränderungen. Gibt es bestimmte Phasen, die ihr beschreiben könntet?

 

Tobi: Am Anfang, so die ersten 5 Jahre, mussten wir uns erst mal „hocharbeiten“. Das war gar nicht so leicht, so etwas wie einen Mailverteiler gab es noch nicht, Proben wurden per Telefonkette organisiert. In der Ska-Szene hatten wir es schwer, in Köln waren „Monkey Shop“ und „Banana Peel Slippers“ schon viel etablierter und wir galten bestenfalls als „Nachwuchs-Ska“, außerdem war unser Sound von Anfang an nicht „old school“. Im Jugendzentrum in unserer Heimatstadt galten wir dagegen als „kommerziell“, da wir dann bald Alben am Start hatten und die Konzerte Eintritt kosteten. Die nächste Phase begann dann Anfang der 2000er, als wir mit Stahl-Entertainment eine Booking-Agentur fanden. Dadurch kamen die Gigs regelmäßiger, und das zieht eigentlich alles andere nach sich – und so ist es bis heute. Seit dieser Zeit ist auch unsere „Probenlandschaft“ im Elternhaus unseres Sängers unser Zuhause – dort fehlt es uns an nichts, auch ein ganz wichtiger Faktor. Eine neue „Phase“ ist dann in den letzten Jahren die veränderte Probensituation: Wir proben weniger, sind aber immer viel besser vorbereitet. Alle Songs sind ausnotiert, von jeder Probe gibt es Aufnahmen, alles liegt online vor.

 

DerDUDE: Was war denn das Verrückteste oder Faszinierendste, was ihr in 20 Jahren Musiker- und Tourerfahrung erlebt habt?

 

Tobi: Zwei spontane Einfälle: Phil läuft mit Engelsflügeln (ansonsten nackt) durch Paderborn. Wir sind da abends nach einem Festival-Gig noch durch die Stadt gelaufen – das kann immer schnell eskalieren. So war es auch damals, als wir drei junge Frauen getroffen haben, die gerade Jungesellinnenabschied feierten (daher die Engelsflügel). Irgendwie war die zukünftige Braut am weinen. War wohl alles etwas viel. Selbstverständlich haben wir uns ihrer angenommen und ihren Abend gerettet – Highlight des Jungesellinnenabschiedes: Phil, ganz nackt und bloß. Das zweite Ding war: Die ganze Band schläft heimlich in einem Kloster in Coesfeld, ohne dass es jemand merkt. Der Veranstalter hatte Zimmer für uns in dem Kloster gebucht, aber da wir nach dem Gig noch feiern waren, war dort alles verschlossen und dunkel. Nachdem wir die ganze mittelalterliche Klosteranlage abgesucht hatten, fand sich eine unverschlossene Tür. Dahinter war so eine Art Wohnung mit ausreichend Betten. In unserer Vorstellung war es die Schlafkammer der jungen Nonnenschülerinnen, die gerade beten waren. Wir hatten dementsprechend Angst vor der strengen Schwester Oberin und sind am nächsten Tag unerkannt entwischt.

 

DerDUDE: Mir ist aufgefallen, dass kaum Interviews von euch im Internet zu finden sind. Seid ihr so schüchtern? Lasst ihr lieber die Musik sprechen?

 

Tobi: Keine Ahnung, es hat uns einfach keiner gefragt. Also an alle: Hier seht ihr, wie’s geht!

 

DerDUDE: Während andere Ska-Bands mit weitkreisendem Finger auf dem Globus stolz ihre zahlreichen Auslandstouren präsentieren, findet man bei euch eher Touren im deutschsprachigen Raum. Woran liegt das oder ist es einfach nur Zufall oder mangelnde Zeit?

 

Tobi: Wir sind alle berufstätig, viele haben Familien – deshalb sind Weekender die Regel, eine Tour haben wir erst 2013 zum ersten Mal gemacht. Da sind Auslandstrips nicht so sinnvoll. Ansonsten ist es Zufall oder liegt daran, dass die Kontakte zu Clubs im Ausland nicht so eng sind wie in Deutschland. Wir hätten aber auf jeden Fall mal Bock drauf, vielleicht klappt’s ja 2015.

 

DerDUDE: Im Gegensatz zu vielen ostdeutschen Metropolen wie Dresden oder Berlin scheint es immer noch so zu sein, dass es der Ska in der Region Bonn / Köln schwer hat. Wie kommt das?

 

Tobi: Naja, mit dem Freedom Sounds Festival ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung gemacht, auch mal wieder mehrere Ska-Bands am Abend zu hören. Bands gibt es ja genug hier, „Lax Alex Contrax“, „Kapelle #3“, „The Clerks“, „Masons Arms“ und „Banana Peel Slippers“, um nur einige zu nennen. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass Ska es grundsätzlich schwer hat – alle diese Bands stehen doch häufiger in der Region auf der Bühne. Nur eben selten zusammen.

 

DerDUDE: In einem Interview in 2002 war ein Traum, mit den Madness zusammen aufzutreten. In 2003 und 2006 war es dann soweit. Auch die Skatalites konnten 2005 auf die „Erledigtliste“ gesetzt werden. Alles erledigt?

 

Tobi: Ja, alle Träume von 1995 und auch danach sind in Erfüllung gegangen. Es war schön, die Bands mal alle kennengelernt zu haben, deren Alben wir immer gehört hatten. Für mich war eigentlich das Größte, als wir 1997 vor den „Toasters“ gespielt haben und deren Musiker zu uns auf die Bühne kamen, als wir „Decision at midnight“ gespielt haben. Das war neben „Mickey Mouse“ von den Busters unser erster Song, den wir konnten. Heute wünschen wir uns, dass wir noch lange zusammen spielen können und freuen uns auf andere neue Erfahrungen wie das Big-Band-Projekt im Sommer.

 

DerDUDE: Wenige böse Stimmen behaupteten damals, dass euch der Erfolg und der Auftritt mit den Urgesteinen Madness zu Kopfe steigen könnte. Das war natürlich nicht so. Aber wie habt ihr diese Begegnung erlebt und was brachte euch diese Bühnenerfahrung für die zukünftige Bandentwicklung?

 

Tobi: Eigentlich wussten wir schon vorher, dass es nicht viel bedeutet, mit wem wir alles gespielt haben. Das hat der lokale Veranstalter eingefädelt. Es ist ja nicht so, dass Madness persönlich bei uns angerufen hat und gefragt hat, ob wir sie supporten wollen. Insgesamt hat man bei dem Gig gesehen, wie es in dieser Liga läuft: Hotel, Crew macht Soundcheck, Dinner, Gig, Hotel. Die Begegnung war entspannt, wir sind aber auch nicht hingerannt und haben Fotos gemacht.

 

DerDUDE: 2014 erschien euer neuestes, achtes Album „Addicted To The Road“. Worin unterscheidet sich das neue Album von allen anderen?

 

Tobi: Wir haben es anders aufgenommen: Das Studio ist in einem Haus, wo wir dann auch gegessen und übernachtet haben. So kann man sich viel mehr über alles austauschen. Wir glauben, dass u.a. dadurch auch ein frischer, lebendiger Sound entstanden ist. Musikalisch gibt es ein bisschen mehr Gitarren und Gesänge, außerdem hat unser neuer Gitarrist Andy ein paar Songs beigesteuert, die das Album noch vielfältiger machen. Aber egal was wir machen, am Ende klingt es nach Slapstickers – zum Glück!

 

DerDUDE: Andy ergänzt die Bands scheinbar perfekt. Wo kommt er her und welche Einflüsse bringt er mit?

 

Tobi: Andy ist schon ein alter Bekannter, er war schon einige Jahre als Sub für unseren Gitarristen Olli und auch unseren Bassisten Lurch dabei. Irgendwann ist uns dann klar geworden, dass es schöner wäre, ihn fest an Bord zu haben – ist ja irgendwie auch immer blöd, nur zu spielen, wenn jemand anderes gerade nicht kann. Auch musikalisch hat sich das gelohnt: Zwar war es anfangs gar nicht so leicht, unsere Songs so zu arrangieren, dass zwei Gitarren auch wirklich ein Gewinn sind – der Gesamtsound verändert sich dadurch ja schon. Haben wir aber durch viele Konzerte und Proben richtig gut hingekriegt. Andy hat vorher schon in ein paar Rockbands und auch als Singer/Songwriter gespielt und unheimlich viele Songideen gehabt. Da kamen manchmal vier Demos am Tag per Mail. Auch hier haben wir dann alle zusammen dran gearbeitet, diese Ideen für unsere große Besetzung umzusetzen und seine neuen Ideen in den Slapstickers-Sound einzubauen.

 

DerDUDE: Gründungsmitglied und Gitarrist Olli wohnt und arbeitet in der Schweiz. Wie funktioniert das?

 

Tobi: Das ist für mich eine typische Slapstickers-Geschichte. In manch anderer Band hätte entweder die Band oder das Bandmitglied „Adieu“ gesagt. Wir tun aber unser Bestes, Olli auch über die Entfernung hinweg mit Material zu versorgen. Dadurch, dass wir alle Songmaterialien online haben und von allen Proben Aufnahmen existieren, kann man sich auch gut vorbereiten, wenn man nur selten mitproben kann. Und in den letzten Jahren war dann immer Andy da, wenn Olli nicht kommen konnte. Umgekehrt tut auch Olli alles, was möglich ist – wenn wir das lange genug vorher planen und vielleicht Konzerte und Proben kombinieren, ist er bei den wichtigen Proben eigentlich immer da. Außerdem kommt er oft per Flugzeug zu den Gigs. An alle Veranstalter: Für „Spritgeld“ spielen wird teuer für Euch!

 

DerDUDE: Für den Sommer habt ihr ein größeres, einzigartiges Projekt geplant „Ska-Musik mit Big-Band“. Es geht um eine Kooperation mit The Swingcredibles, welche auch in einem Konzert im Sommer müden soll.

 

Tobi: Genau, die meisten von uns sind in irgendwelchen Musikschul-Big-Bands gewesen und deshalb lieben wir diesen großen Sound. Ska-Jazz gibt es ja schon was länger, aber dann immer in kleiner Besetzung. In diesem Fall werden unsere „größten Hits“ extra für Big-Band arrangiert und wir sind gespannt, wie’s klingen wird.

 

DerDUDE: Da bereits viel Geld in das neue Album geflossen ist, sollen die Fans an der Finanzierung des Musikprojekts beteiligt werden und u.a. Eintrittskarten oder Tonträger vorab bestellen. Diese Form des Crowdfunding ist schon ein recht innovatives und verrücktes Konzept, oder?? Wie ist der Stand der Dinge?

 

Tobi: Wir haben auch lange darüber diskutiert in der Band. Aber wir versuchen es einfach mal, vielleicht klappt es. Neben dem Geld ist es natürlich auch schön, wenn die Leute direkt an der Entstehung des Projektes beteiligt sind, die Aktion weiterverbreiten usw. – wenn es nicht klappt, kriegen wir das Ding trotzdem gestemmt, nur so wäre es natürlich schöner. Im Moment läuft das Projekt, der Start ist geglückt – schau’n wir mal.

 

DerDUDE: Gibt es schon Überlegungen für neue Projekte und Aktionen über den Sommer 2015 hinaus? Wie lange werden uns The Slapstickers noch mit authentischer Ska-Musik erfreuen?

 

Tobi: Ab Sommer wollen wir einfach Konzerte spielen. Vielleicht klappt ja noch mal eine kleine Tour, vielleicht mal im Ausland, mal sehen. Gerade kommen einige Anfragen rein, es lohnt sich also immer mal wieder nach unseren Tourdaten zu schauen. Und nachdem wir jetzt 20 Jahre zusammen spielen, kann ich ganz sicher sagen: The Slapstickers will never die!

 

DerDUDE: Vielen Dank für das interessante und ausführliche Interview!