20 Jahre Wolverine Records

1992. Der Soziologiestudent Sascha Wolff lässt eine Single seiner Freunde von den Bullocks pressen.

Mit weitreichenden Folgen. 2012 veröffentlicht er immer noch Platten. Die Uni hat ihn seitdem aber nie mehr gesehen.

W.: Ja, erstmal herzlichen Glückwunsch, Sascha zu 20 Jahren Wolverine Records.

S.: Ja danke

W.: Hättest Dir das damals gedacht, dass Du zwanzig Jahre später immer noch damit aktiv bist und sogar davon leben kannst?

S.: Nee, da denkste ja nicht dran. Hab das ja nur für den Spaß angefangen.

W. Die erste Veröffentlichung war wie ich gehört habe eine Livesingle?!

S.: Die Bullocks, das waren beste Kumpels, Schulfreunde. Die haben halt ihr Ding gemacht und ich war halt derjenige der musikalisch da nicht so einsteigen konnte. Also hab ich dann die Single gemacht

W. Wie groß war die erste Auflage?

S.: 500, einen Teil habe wir dann gleich an so Fanzines verteilt. Und dann kamen auch schon die ersten Bands an. Dann hab ich ja ne EP von Move on, ner Hardcoreband gemacht, die ging dann auch ziemlich gut und dann hab ich mir halt mal gedacht, fängste mal an das ganze bisschen professioneller anzugehen. Und kam dann während des Studiums an einen der Mitglied bei Anarchist Academy war.

W.: das war dann Hip Hop, oder?

S.: das war deutschsprachiger Hip Hop. Das war 91. Deutschsprachiger Hip Hop war da noch ganz neu. Es gab zwar schon diese Fanta 4 Geschichte, aber das das einen ernsteren Hintergrund hatte, das war absolut neu. Das war dann ganz außergewöhnlich. Sie wurden auch die Slime des Rap genannt. Die schlugen dann ein wie eine Granate. Und alle wollten das haben. Sogar Punks fanden das super und haben es gehört. So kam dann eins zum anderen. Dann kam halt viel auf einmal.

W.: Und Du übernimmst das Pressing der CDs, auch die Produktion?

S.: Nee, aber alles danach. Neben dem Pressing halt den Verkauf, den Vertrieb.

W.: Wie viele Leute arbeiten eigentlich bei Wolverine?

S.: Ich mache alles alleine. Ok, die Homepage macht ein Kollege.

W.: Und die Covergestaltung?

S.: hab ich zum Teil selber gemacht, meist kommen aber die Bands mit eigenem Cover.

W.: Wie viele Künstler hast du jetzt im Programm?

S.: Ich hab jetzt ca 150 gemacht. Ist halt ein Kommen und Gehen. Ich hab halt immer einen aktuellen Rooster von 10 - 15 Künstler.

W.: Und du trittst quasi erstmal in Vorleistung. Übernimmst die Kosten für das Pressen und den Vertrieb.

S.: Manchmal so, manchmal macht man aber auch Deals mit der einen oder anderen Band, wo sie selbst die Kosten für die CDs übernehmen und ich mach dann die Promotion und den Vertrieb. Die Zeiten ändern sich halt. Manchmal hat man auch einfach die Cds geteilt. Ich hab sie gepresst, hab den Bands so und soviel Frei-CDs gegeben und den Rest vertrieben. Aber so Deals kann man halt nicht mehr anbieten.

W.: Zum Teil bieten ja Bands mittlerweile ihre Platten auf diversen Filesharingplattformen zum freedownload an, nur um sie bekannt zu machen.

S: Also die Bands die so was machen sind entweder extrem gut, das sie sich das erlauben können, weil sie daran glauben damit durchzustarten und dann bei den Konzerten zu verdienen. Der größte Teil aber der free Downloads sind in der Regel so schlecht, das sie nie jemand kaufen würde oder ein Label anbeißen würde. Im Grunde tun sie sich damit keinen Gefallen, weil sie ihre eigene Szene damit kaputtmachen. Sie verschenken ihre Arbeit und die Leute verlieren ein Gefühl für den Wert der Musik. So ist es nun mal. Es kostet nun mal alles Geld. Von der Produktion angefangen, das Pressen und Gema. Deswegen habe ich auch null Verständnis für irgendwelche Downloadforen.

W.: Na ja, sind ja nicht immer alle Labels interessiert an Neuerungen. Auch gerade Bands aus Süd Amerika bedienen sich solcher Plattformen, weil der Vertrieb da äußerst schwierig ist. Sogar für große Bands, wie Che Sudaka.

S.: das ist natürlich ein anderer Background. Wie diese Walk off the Earth-Geschichte, wo sie alles selber gemacht haben. Platten produziert, Videos gedreht, auf youtube hochgeladen. Wo du sogar die Wahl hattest das Produkt umsonst runterzuladen oder dafür zu bezahlen. Da ist plötzlich ne Coverversion und die Sache knallt auf einmal und du hast 43000 Klicks bei youtube.

W.: Auch witzig. Wenn sich ne hart arbeitende Band durch die Clubs ackert und letztendlich auf keine grünen Zweig kommt, und dann kommt so ein Dödel mit Trashvideo und ist von heut auf morgen ne große Nummer.

S.: Ja bei denen war es beides. Und die sind musikalisch auch sehr, sehr gut. Von daher hab ich da schon echt Respekt vor. Toll gelaufen. Wofür ich kein Verständnis habe, wenn Leute eine dicke Hose machen und neue Cds ins Netz stellen. Vielleicht sogar Promosachen. So nach dem Motto „Wir sind ja so toll": Wir sind jetzt aktuell mit zwei anderen Labels „People like you" und Crazy Love Records dabei das eins der größten Portale platt gemacht wird. Du kriegst da alles umsonst bei denen. Hat auch jetzt ne Zeit gedauert rauszukriegen welche Leute dahinter stehen. Dann lassen wir es doch einfach mal richtig krachen bei denen. Wenn die so unverschämt sind, dann hab ich auch kein Problem damit wenn die Bullen bei denen vor der Tür stehen, die Computer mitnehmen und die Briefe von Anwälten kriegen, bis sie für den Rest ihres Lebens die Hand hochheben. Da kann sich jeder, der noch was umsonst ins Internet stellen will sich das noch mal überlegen, ob er das riskieren will. Weil ich da mein Herzblut reinsteck, die Musiker stecken da ihr Herzblut rein und keiner von uns wird reich. Im Gegenteil. Wir gehen ja auch finanzielle Risiken ein. Das kann auch mal 5000 Euro Verlust einfahren. Wenn dir das dreimal passiert kannst du aufhören.

W.: Man findet ja auch bei Konzerten oft solche Spezialisten, die sich über 5 Euro Eintritt beschweren und die Veranstalter als Kapitalisten beschimpfen. Als ob ein Konzert nicht erstmal ne Menge Kosten verursachen würde. Da reist ne Band aus Amerika an, spielt sich mit 4-8 Mann auf einer kleinen Bühne den Arsch ab, pennt auf dem Fußboden, und das ganze zu einem Preis von einer Kinokarte. Das hat dann auch nichts mehr mit Kommerzialisierung des Punkrock zu tun.

S.: Das ist falsch verstandener Underground. Die sollen den Underground mal supporten. Aber die da am lautesten schreien rennen am nächsten Tag aufs Rancidkonzert für, wasweisich 60 Euro Eintritt und kaufen obendrauf noch n Tourshirt für 40 Euro. Da meckert keiner.

W.: Wie sieht’s bei dir mit den Verkaufszahlen aus? Du hast ja in den 90er begonnen. Einer Zeit in der, wenn man der Propaganda der Großlabels glauben darf, noch ein letztes Mal Geld mit Cds verdienen konnte.

S.: Gut, die Verkaufszahlen sind nun mal da. In den 90ern gab’s tatsächlich noch, das du von einer Band 4000-5000 Cds verkauft hat. Wenn sie gut waren und viel live gespielt haben, dann konnten sie das schaffen. Dann gab’s bei mir auch noch die Sampler wie zb. Punk Chartbuster, die sich gut verkauft haben. Jetzt, wenn du 1000 Cds von einer Combo verkaufst, dann ist das schon super. In der Regel versuchste mit 500-600 verkauften Cds irgendwie die Kosten wieder reinzuholen.

W.: Wie groß ist bei dir so ne Standardauflage?

S.: Normalerweise pressen wir 1000 Scheiben, wobei ein Haufen für Promo drauf geht. Oft bleibste aber auch auf einer Menge sitzen.

W.: Hast du auch irgendwie Shops, wo du deine Scheiben verkaufst?

S.: Ich hab einen Vertrieb: Soulfood. Die beliefern dann die ganzen Shops und Ketten. Um die Mailorders kümmere ich mich selber. Und den Export.

W.: Du lieferst auch im Ausland. Ich hab gehört sogar nach Japan.

S.: Ja, im Ausland geht n bisschen was. England, Benelux, Japan,. Finnland geht vor allen die Pschobillysachen.

W.: Korrigier mich wenn ich falsch liege. Wenn ich so dein Programm anschaue, so find ich da in erster Linie Psychobilly, Rockabillygeschichten. Die Hip Hop Nummer fällt da ja schon aus dem Rahmen.

S.: Angefangen hab ich ja mit Hardcore. Das Hip Hop Ding hab ich ja nur angefangen weil die Texte so super waren. Dann hab ich ne Zeit lang fast nur Punkgeschichten gemacht. Ich bin dann irgendwie wieder zu meinen Roots zurückgekommen. So was wie Johnny Cash. Ich hab dann ja auch Ende der 90er dieses Swingding gemacht.

W.: Franky Boy, das Unterlabel von Wolverine. Was ich am Anfang vom Swing nur so mitbekommen habe, war halt Brian Setzer mit seinem Orchestra.

S.: Genau, das war das war auf einmal so mega erfolgreich war. Wodurch ich da drauf aufmerksam geworden bin, was es in den USA noch so für Bands in der Richtung gab. Und war dann so das einzige Label was so was gemacht hat. Damals hab ich mir gedacht, mach einfach mal einen Überblick über die ganzen neuen Swingbands die es noch gibt. Das lass ich übrigens auch grad wieder aufleben. Ich bring auch demnächst wieder eine Swingband raus. Die heißen die Les Haferflockenswingers. Daran sieht man auch wie weit das Spektrum von mir war. Und so bin ich auch wieder auf die Psychobilly Rockabilly Schiene zurückgekommen. Letztendlich ist ne Band wie die Meteors eine Band die ich schon immer gut fand und immer gut finden werde, letztendlich. Und von daher promote ich nur Bands und Musik zu der der ich auch eine Beziehung habe. Das verwundert manche Leute, weil die Bandbreite von Wolverine so groß ist. Viele unterschiedliche Sachen . Aber ich find halt viele Sachen gut. Und wer weiß was noch kommt.

W.: Vor 10 Jahren hast du auch mal Ataque 77 aus Argentinien gemacht. Die ja Combat Rock machen. Hattest Du geplant die Schiene weiter auszubauen, oder war es ein Experiment?

S.: Attaque 77 war leider extremst schwer zu promoten. Ich persönlich fands super. Ich fand auch den Mix aus Combat punk und spanischen Gesang klasse. Die waren dann auch auf Tour hier. Das war dann aber auch so lala. Wir hatten zwar gehofft, das die Toten Hosen sie mitnehmen, weil die ja umgekehrt bei denen schon im Vorprogramm in Argentinien gespielt haben..

W.: Ähnlich wie damals die Argies.

S,: Genau. war auch kurz davor. Hat dann aber doch nicht geklappt. Und so hat’s keinen so richtig hier interessiert. Es gab zwar tolle Kritiken aber zu den Konzerten kamen halt nur so 70 - 80 Leute. Deshalb haben wir das nicht weiterverfolgt.

W.: Es kommt bei dir jetzt auch mehr und mehr Vinyl dabei. Ich hab gesehen, die letzte Bonsai Kitten wurde im gelben Vinyl veröffentlicht.

S.: Zwischendurch hat’s immer mal wieder Vinyl gegeben. Als die Yeti Girls damals zum Major gegangen sind hab ich die zwei Platten die sie dort veröffentlich haben als Vinyl rausgebracht. Es gab’s also schon immer mal wieder. Ist halt keine riesen Geschichte. Bewegt sich halt meist in einer 500er Auflage. Ist halt Dienst am Kunden, sag ich mal. Außerdem musst du auch dabei noch was mehr bieten. Ich mach halt die Auflage handnummerriert in farbigen Vinyl. Für Sammler. Die nächste Bonsai Kitten wird als Splitrecord rauskommen. Auf die eine Seite halt Bonsai Kitten und auf die andere Seite Graveyard Johnnys mit Wendecover.

W.: Irgendwas besonderes Neues in der Warteschleife, im Moment?

S.: Ich bin immer noch in Verhandlungen. Ist wollte eigentlich unbedingt Reno Divorce machen. Kennst du die? Klingen wie die frühen Social Distortion, also nicht die Sickboy Schiene sonder zu „Between heaven and hell" - Zeiten. Die sind echt sehr, sehr, sehr gut. Die Scheibe ist ein echter Knaller. Jeder der Social Distortion früher gut gefunden hat, wird die lieben. Hab aber leider heute erst ne Absage bekommen.

 W.: vor 10 Jahren bei deinem letzen Jubiläum hattest Du ein Festival organisiert. Wie sieht’s diesmal aus?

S.: War auch da schon sehr schwierig. Ist irgendwie in Planung. Aber ich wollte damals was Besonderes machen und wenn ich jetzt noch mal was organisiere sollte es schon wieder was Besonderes sein. Also wenn dann frühestens Ende des Jahres. War vor 10 Jahren auch einfacher. Da kannste planen, bei der und der Band kommen halt 300 Leute. Was heute mit den Kosen wesentlich schwierig ist. So wie ich es im Kopf habe, wie ich es gern haben würde, wäre es gleich schon wieder so aufwendig teuer, das es wahrscheinlich zu teuer werden würde. Dazu kommt das sowieso schon so viele Festivals stattfinden wo ausschließlich Wolverine Bands spielen. Ich würde dann auch gerne wieder so ne alte Band wieder gerne reaktiveren, wie vor 10 Jahren die Yeti Girls, die sich ja damals schon aufgelöst hatten. Jetzt gibt’s ja Psychotic Youth wieder. Und die müsste man aus Schweden holen. Ist dann auch die Frage ob die noch genug Leute kennen. Da hab ich schon echt Sorge, das die paar Alten die die noch kennen an dem Abend lieber daheim bleiben weil sie da grad keinen Babysitter haben oder so was. Mal gucken. Das 25. ist ja eh viel wichtiger.

W.: 20 Jahre ist ja ne lange Zeit, wenn man bedenkt, das es heutzutage fast nicht möglich ist für die gleiche Firma so lang zu arbeiten.

S.: ja, ist schon ne Menge Holz. Wenn ich mir überlege, das diejenigen die jetzt die Platten kaufen, noch nicht geboren waren als das Label gegründet wurde. Schon ein komisches Gefühl.

W.: Ist ja schon ein Privileg 20 Jahre im selben Job, den du dir selber ausgesucht hast, der dir Spaß macht und dann noch als dein eigener Herr. Immerhin kannst du davon leben.

S.: Ja klar. und mit Stil alt werden und seinem Rock n Roll treu bleiben. Ich muss da keinen neuen Trend hinterhecheln. Außerdem zieht Psychobilly, Rockabilly auch ältere Leute an, denen die Musik auch was wert ist und die bereit sind was zu bezahlen. Ich hab auch tolle Bands wie Tommy Gun und Eightball, die echt super sind. Aber die haben halt eine recht junge Käuferschicht und da wird’s dann schon schwierig. Die sind da nicht so bereit Geld für auszugeben. Und da wären wir schon wieder bei dem Downloadthema.

W.: Immer wieder erschreckend, wenn tolle, eigenständige Bands sich den Hintern durch die Clubs abspielen, froh sind mit ihren Auftritten genug Kohle für den Sprit für den Bandbus zusammenzukratzen. Die nur über die Runden kommen, weil zuhause ihre Frauen einen Festen Job haben.

S.: Was glaubst du wie froh ich bin das meine Frau so einen festen Job hat?! Ich bin der sooo dankbar. Hier wären schon längst die Lichter aus ohne sie. Ich mach hier einen dick auf Labelboss und sie verdient die Brötchen.

W. Ich bestehe darauf dass diese Aussage abgedruckt wird!

S.: Mach, habe ich ihr oft genug schon gesagt.

W. Also Aufruf an alle: Kauft Wolverine Platten damit Sascha ausziehen kann.

S.: Niemals!

W.: Deine Familie hat ja für dieses Gespräch das Wohnzimmer verlassen müssen. und wurde ins Schlafzimmer umquartiert. Womit wir bei deinem zweiten Nebenarm von Wolverine Records wären. Neben deinem Swinglabel Franky Boy betreibst du auch noch die Webseite www.rocknrollkids.de

S.: Genau, Rock-Kindermode. Das hat 2003 angefangen. Ne Freundin war in den Staaten und hatte ein kleines Ramones T-Shirt mitgebracht. Hatte ich noch nie gesehen irgendwie. Hab dann im Internet recherchiert und auch ein paar gefunden die so was angeboten haben. Also hab ich mir gedacht, mach einfach mal. Und so war ich der erste der das gemacht hat hierzulande. T-Shirts, Strampler,.... von 0 - 6 Jahre kann man sagen. Danach kannst du den Kindern nix mehr modetechnisch aufdrücken. Aber bis dahin haben wir schon ein recht großes Sortiment. Ramones, Green Day, Johnny Cash und so Sachen halt.

W.: und schon ne Idee für neue Projekte?

S.: Hab ich. Sag ich aber jetzt nicht.