Resist To Exist Festival (Berlin)

Quelle: www.facebook.com/resisttoexist Quelle: www.facebook.com/resisttoexist

Grunddaten

Festivalname: RESIST TO EXIST FESTIVAL

Art: Open Air

Monat des Interviews: März 2017

Interviewpartner: Thommäs

Ort/Stadt: Kremmen (bei Berlin)

Webadresse: www.resisttoexist.de

Datum: 04./05./06. August 2017

Anzahl Festivaltage: 3

Anzahl der Besucher: 3.000

Eintritt: ca. 45 € (WE)

Camping: ja

Anzahl bisheriger Festivals: 13

Datum erstes Festival: puh ... gerade nicht im Kopf

Musikstile: Punk, Hardcore, Streetcore, HC-Rap, Ska

Anzahl Bands: 40

Quelle: www.facebook.com/resisttoexist Quelle: www.facebook.com/resisttoexist

„politisch interessiert, bisschen was in der Birne und kein Prollogehabe“

 

Wie seid Ihr auf den Festivalnamen gekommen und was hat Euch geritten, ein solches Festival auf die Beine zu stellen?

Das RESIST TO EXIST FESTIVAL war ursprünglich eine Protestveranstaltung. In den 90er Jahren gab es in den radikal braunen Berliner Randbezirken nahezu keine vor Naziübergriffen sichere Rückzugsmöglichkeit für Alternative jeglicher Art. Im Laufe der Zeit entwickelte sich im Biesdorfer Park ein solcher Rückzugsraum. Mit täglich knapp 60 Leuten wurden wir dort irgendwann zu einem Dorn im Auge der Bezirksverwaltung. Sie versuchten uns mit allen Mitteln dort wegzubekommen: von Umzäunung, Sperrzeiten, Wachschutz, Wachhund bis hin zur Video- und Ziviüberwachung alles dabei. Als uns dann auch noch eine Hundertschaft Cops in Vollmontur auf den Hals gehetzt wurde, war endgültig eine brisante Schwelle überschritten: Wir entschlossen

lautstark mit einem Protestkonzert auf unsere Situation aufmerksam zu machen und im öffentlichen Fokus die drohende Schließung des Parks zu thematisieren. Unter dem Motto "RESIST TO EXIST" (Widersetzen um zu Überleben) begannen wir die Planungen zum ersten Konzert dieser Reihe, aus dem sich letztlich unser aktuelles Festival entwickelte.

 

Was ist die Festival-Philosophie?

Da das RESIST aus einem gemeinsamen Problem heraus entstanden ist (das die gesamte damalige Familie betraf) war der Gedanke der Gemeinsamkeit immer ein primär wichtiger. Im Laufe der Zeit halfen nicht mehr nur alte Parkbesucher beim Festival mit, sondern zunehmend immer mehr überregionale Helferlein. Es entwickelte sich fast beiläufig eine organisatorische DIY-Struktur, die in Deutschland seinesgleichen sucht. Inzwischen sind wir beim Festival knapp 500 Personen in der gesamten Crew. Alle ehrenamtlich, alle just for fun. Denn allen ist der Gedanke ein gemeinsames Projekt zu wuppen, das zudem auch einen gehörigen Haufen Ideal und Haltung im Gepäck hat, zu einer Herzensangelegenheit geworden. Und mal ernsthaft: wer organisiert nicht gern seine eigene Party?! ;) ... Inzwischen sind wir zu Deutschlands größtem DIY-Festival für Punk, HC und SKA angewachsen und erfreuen uns zunehmender Beliebtheit. :)

 

Wie sieht das Zielklientel aus? (regional, überregional, Typen)

Bevorzugt politisch interessiert, bisschen was in der Birne und kein Prollogehabe. Das Rassisten, Sexisten und andere Intoleranten bei uns unerwünscht sind, dürfte sich inzwischen ebenso herumgesprochen haben. Alles was weltoffen denkt, Spaß am Feiern und Musik hat und kein Aggroidiot ist, ist bei uns mehr als willkommen. Genre ist uns egal - wie auch in unserer Orga sind wir für alles und jeden open minded.

 

Wie viele Leute arbeiten bei euch mit? Wie viele davon ehrenamtlich?

Wie oben schon angerissen besteht die gesamte Crew während des Festivals von satten knapp 500 Helfern. Alle ehrenamtlich - niemand verdient mit dem Festival Geld. Im Vorfeld sitzen wir in unserer Orga mit 20 bis 25 Leuten regelmäßig zusammen und planen das Fest.

 

Was hat sich im Laufe der Zeit geändert?

Die Kosten sind extrem gestiegen, weil auch die Auflagen in Deutschland andere geworden sind. Die erhöhte Crewanzahl verursacht natürlich ebenfalls mehr Kosten als früher. Von der Kohle mal abgesehen, ist ein wirklich schönes Moment aber, Aggrospinner und Idioten vom Festival im Laufe der Jahre ferngehalten zu haben.

Unser Publikum maßregelt sich in Teilen selbst, was eine deutlich entspannter Atmosphäre auf dem Zeltplatz entstehen lässt als auf anderen Festivals. Sehr cool zu sehen, wenn das Publikum Deppen mit FW-Pullis selbstständig bittet, dem Festival fern zu bleiben. Stressfrei versteht sich. ... Davon ab, reflektieren wir uns nach jedem Festival selbst aufs Neue und suchen nach Optimierungen. Dadurch entwickelte sich eine gewisse Routine und Professionalität (, wobei wir alle immer Laien und Stümper bleiben werden), die zwar förderlich ist,

aber offenen Wortes auch einen Teil der ursprünglichen Familie geopfert hat. Es gilt also auch bei uns das Motto: "Keine Party ohne Schmerzen" ;)

 

Was waren die bisherigen Topacts? Was ist der kommende Wunschtopact?

Puh .... Mit dabei waren bisher beispielsweise DRITTE WAHL, TOTAL CHAOS, DISTEMPER, OXO 86, RASTA KNAST, POPPERKLOPPER, ZAUNPFAHL, EXTREME NOISE TERROR, OI POLLOI, FEINE SAHNE

FISCHFILET, TIEFENRAUSCH, REDSKA, LOS FASTIDIOS, SHAM 69, WOLF DOWN, WHAT WE FEEL, SIBERIAN MEAT GRINDER, TOXOPLASMA, SKANNIBAL SCHMITT, SKAMPIDA, PURGEN und und und und!!!

DEN "Wunschtopact" gibt es nicht. Es ist viel eher die Gesamtheit, aller die Vorfreude erzeugt. Gespannt sind wir aber in jedem Fall auf ZSK, TOXOPLASMA und RAWSIDE. Ein Act, den wir schon ewig gern auf unseren Bühnen haben möchten sind KAPITULATION BONN - aber nach all den Jahren bleibt zu akzeptieren, dass die Jungs wohl nie wieder gemeinsam die Bühnen Rocker werden.

Quelle: www.facebook.com/resisttoexist Quelle: www.facebook.com/resisttoexist

„Fast 500 ehrenamtliche Helfer aus allen Teilen Deutschlands“

 

Welche Bedeutung spielt Ska- und Reggae-Musik bei eurem Festival?

SKA geht bekanntermaßen immer - so auch bei uns. Primär konzentrieren wir uns aber auf Punk und HC. Seit zwei Jahren haben wir auch härteren und radikal kritischen HC-RAP mit am Start. Nachts gibt esLive-Punkrock-Karaoke und vor den ersten Acts zum Start in den Tag politisches Kinoprogramm. Für alle etwas dabei! :)

 

Was unterscheidet Euer Festival von allen anderen?

Dass wir sowohl im Kollektiv, als auch in unseren Crews open minded sind und allen Interessent_innen die Chance geben, selbst ein Teil des Ganzen zu sein. Fast 500 ehrenamtliche Helfer aus allen Teilen Deutschlands (und teils darüber hinaus) wuppen das Fest kostenfrei und just for fun. Das Ding kommt aus der Szene, ist für die Szene und wenn es gut läuft fließen am Ende Mehreinnahmen wieder zurück in die Szene. Ein symbiotischer Kreislauf.

Es gibt leider viele Veranstalter, die die Szene zwar melken, aber nicht füttern. Die von ihr nehmen, aber ihr nichts geben. Die von ihr profitieren, aber nicht in sie investieren. Die hässliche Business-Fratze unserer Genres ... möchten wir auch gar nicht grundlegend verteufeln, nur sind das am Ende auch oft genau diejenigen, die aus kommerzieller Motivation heraus fragwürdige Combos in ihre Line Ups buchen. Finden wir scheiße - uns mundet ein "Miteinander" und "Füreinander" ganz einfach besser. Und genau darin unterscheiden wir uns auch.

 

Habt Ihr schon einmal überlegt, alles hinzuschmeißen?

Klar! Gefühlt jedes Jahr, wenn sich die Nächte wieder auf zwei Stunden Schlaf reduzieren. Oder das Privatleben unter dem Orgastress zu leiden beginnt. Sobald du all die lächelnden Gesichter vor den Bühnen siehst, weißt du dann aber auch wieder, weshalb und wofür du es machst. Und das ist gut so!

 

Wo liegen die Grenzen des Festivals? Was würdet Ihr nicht machen?

Aus kommerziellem Interesse Acts buchen, die keinerlei Haltung haben oder im Sinne des Fanzuwachses in bräunlichem Gewässer fischen. Ebenfalls absolutes Nogo wären Groß-Sponsoren oder Parteifinanzierungen.

 

Gibt es ein besonders verrücktes/lustiges Erlebnis, was Ihr uns erzählen wollt?

Wenn dich OI POLLOI darauf anhauen, dass dein Fahrer gerade die falsche Band am Flughafen eingesackt hat, sich herausstellt, dass es sich dabei um die allseits bekannten REDNEX (Cottoneyejoe) handelt und - weil er sie nicht kennt - mit den Worten "Da vorn ist ein Taxistand - GET OUT OF MY CAR!" mitten in der Pampa im Nirgendwo absetzt, hast du deine Story! Und die trägt sich nicht nur quer durch Europa, sondern hat es sogar in US-Radio-Interviews geschafft.

 

Was war die verrückteste Forderung eines Künstlers?

Kein Geld entgegen nehmen zu wollen, bevor mit dem Veranstalter nicht zwei Flaschen Schnaps getrunken worden vielleicht? ... Am Ende sind die eh alle sympathisch durchgeknallt. Da überrascht nach 14 Jahren kaum noch etwas.

 

Mit welchen Sponsoren arbeitet Ihr zusammen?

Herkömmliche Sponsoren haben wir nicht. Wir kooperieren mit einigen Labels und anderen Festivals bzgl. gemeinsamer Flyer; das war es dann aber auch. Keine Logoplatzierungen, keine Werbekostenzuschüsse, kein irgendwas! Unser heimlicher Sponsor ist die Szene mit ihrer alljährlichen Unterstützung selbst - dicke

Werbelogos kommen uns nicht auf den Flyer oder auf den Acker.

 

Die Sponsoren ziehen sich zunehmend aus der Unterstützung der Festivals heraus. Stimmt das? Welche

Erfahrungen habt Ihr? Welche Konsequenz hat Eure Erfahrung?

Der Großteil von uns findet das gut, denn dann wird Musik vielleicht wieder zu dem, was es eigentlich ist und weniger zum Werbeträger oder Business-Pusher. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Kleine Labels etc. sind cool und gehören dazu, aber ob Rewe, Sparkasse und Co wirklich auf alternativen Veranstaltungen prangen müssen kann zumindest hinterfragt werden.

Auf der anderen Seite sind Festivals unglaublich teuer in ihrer Produktion. Und damit auch wahnsinnig risikobehaftet. Wir verstehen daher jeden, der da auf Nummer sicher gehen möchte und sich deshalb pro Sponsoring entscheidet. Für uns ist das aber nichts. Wir fühlen uns ohne Reklamleuchte der großen Player deutlich wohler auf unserem Acker. Von daher können wir dazu keine wirklich brauchbare Auskunft geben.

 

Eines der größten Probleme von Festivalmachern sind die Anwohner. Wie geht Ihr damit um? (Kompromisse?)

Wir haben unsere Bühnen eingedreht, investieren viel Geld in streuungsreduzierende Boxensysteme und haben eigens für die nächtliche Aftershow ein lärmminderndes Zelt auf dem Platz.

In den letzten Jahren sind unsere Lärmmessenden bei Beschwerden oft persönlich bei Anwohnern vorbeigekommen und haben sich mit ihnen ausgetauscht. Im vergangenen Jahr konnten wir die Lärmstreuung soweit verringern, dass wir nahezu null Belästigungen erzeugten und sogar - man höre und staune - ein Lob seitens der Polizei erhielten. Das gab es so auch noch nie. Sehr angenehme Entwicklung, weil deutlich weniger Stress im Resultat. Grundsätzlich würden wir aber natürlich gern noch länger und lauter beschallen dürfen.

 

Viele Festivalmacher geben relativ schnell auf, wenn sie merken und sehen, wie viel Arbeit so ein Festival

machen kann. Was ist Euer Erfolgsrezept?

Ganz eindeutig die direkte Verknüpfung von Festival und Szene. Denn ohne ihre Unterstützung könnten wir die Nummer so nie durchziehen.

 

Was würdet ihr einem neuen Festivalmacher empfehlen, wie er an die Sache herangehen sollte? Worauf muss er/sie achten?

Puh. ... Auf abertausende Dinge. Ohne Erfahrung ist das inzwischen aufgrund der unzähligen Auflagen und Richtlinien nahezu unmöglich geworden als Laie ein solches Projekt zu starten. Allein zu recherchieren, worauf zu achten ist, ist als Laie und ohne Kenntnis der Materie nahezu unmöglich. Zumindest nicht, wenn es offiziell läuft. Illegal kannst du da natürlich deutlich einfacher starten. So oder so: langsam aufbauen und nicht gleich sofort alles haben wollen.

 

Wie fühlt man sich eigentlich, wenn Monate an Vorbereitung beendet und die 1-3 Tage Festival vorbei sind?

In einem Wort: leer.

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„Punk braucht Inhalte und Visionen!“

 

Wohin entwickeln sich zukünftig die Festivals? Immer größer? Immer mehr? Umsonst & Draußen oder Tickets? Usw. Wie sieht ein Festival im Jahre 2020 oder 2025 aus?

Vielleicht sitzen bis dahin alle mit Kopfhörern vor der Bühne. Oder mit Virtual-Reality-Brillen allein im Zimmerlein. Da gibt es zu viele Unbekannte, die Großveranstaltungen beeinflussen können. Die Loveparade hat beispielsweise einiges geändert. Noch ein solches Drama und es wird sich wieder etwas ändern. Eines ist leider Fakt: für die Veranstalter wird es immer und immer teurer und komplizierter.

 

Es sind zwei Trends zu beobachten. a) reine Genre-Festivals und b) große Mischungen vieler Musikstile. Wie seht ihr die Entwicklung, den Trend?

Das wird es auch weiterhin geben und das ist gut so. Absolut für unterschiedliche Ansätze, denn Musik ist nicht linear, sondern vielschichtig. Ergo sollten auch die musikalischen Angebote vielschichtig bleiben.

 

Wohin entwickelt sich Euer behandelter Musikstil? (Auswirkungen auf das Festival)

Bei vielen Acts eindeutig Richtung professionellem Business. Während Punkbands ja früher noch oft eher Spaß und Hobbyprojekte in Selbstverwaltung waren, nehmen Agenturen und Selbstständigkeiten in unserem Genre stetig zu. Damit steigen natürlich auch die Kosten als Veranstalter. Mehrkosten der Festivals resultieren in Mehrkosten für die Besucher. Ein beschissener Kreislauf, der an einigen Ecken mehr Ideal vertragen könnte.

Die Welt lässt sich aber leider nicht rückwärts drehen, also muss man das in gewissen Zügen akzeptieren. Alles andere wäre blauäugig.

 

Welche anderen Festivals würdet Ihr den Lesern empfehlen?

Back to Future, Sommerschlacht, Save the Scene, Refuse Open Air, Störfaktor ... Da gibt es einige. Primär die "kleineren" und familiäreren. Denn die sind noch "echt".

 

Was gibt es Neues auf dem kommenden Festival? Was sind die mittel- und langfristigen Ziele?

Der Geländeplan wird angepasst werden - alles Weitere ist noch nicht zu 100% spruchreif und wird daher noch nicht verraten.

Langfristiges Ziel ist das Bestehen des Festes. Welch Wunder. Haha. ... Wir hoffen, dass wir mit unserem Ansatz viele Leute dazu bewegen, selbst aktiv zu werden und auch selbst Veranstaltungen zu organisieren. Denn Do it yourself funktioniert! Wenn wir zusätzlich ein wenig die Haltung und die Ideale der Besucher schärfen und festigen können, sind wir mehr als glücklich. Denn sinnentleerter Punk ohne Ethik und Menschlichkeit ist nicht mehr als leeres und plakatives Gewäsch, das nur noch dem reinen Event-Charakter frönt. Punk braucht Inhalte und Visionen!

 

Sagt doch, was ihr wollt! Kommentare und Anmerkungen von Euch ;-)

Wir riechen uns im August beim RESIST TO EXIST FESTIVAL 2017: 04.-06. August @ Kremmen bei Berlin!

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