John Sims John Sims

9th december 2012

 

John Sims aka "Teflon"

ist der britische Designer der 2-Tone-Ära Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre, der diese Zeit und die Akteure sehr hautnah erlebt hat und in direkter, produktiver Weise an der Gestaltung der 2-Tone-Logos (schwarz-weiße Karos und Nutty Dancer u. a.) beteiligt war.

 

In den 60er Jahren selber jugendlicher Mod, schöpft er aus einem großen Fundus an übergreifenden Wissen und gelassener Einschätzung. Namen wie The Specials, Madness, Blondie oder Billy Idol gehen so selbstverständlich über die Lippen wie Pauline Black oder Jerry Dammers. Das die Geschichte bis 2013 reicht zeigt, dass das Urgestein im Hintergrund längst noch kein Ende gefunden hat und weiter kräftig in der britischen Ska-Szene mitmischt. Uns erzählt er wie.

Foto: Jason Dodd Photography Foto: Jason Dodd Photography
2-Tone Art 2-Tone Art

Seit Jahrzehnten bist du mit Leib und Seele Designer. Mit 16 hast du deinen ersten Preis gewonnen und später erfolgreich bei zahlreichen Medienprojekten mitgewirkt. Einige Auszeichnungen folgten in den 80er Jahren mit 2-Tone-Designs. Wird einem so etwas in die Wiege gelegt?

Ich bin mir nicht sicher, ob wir alle mit einem Geschenk geboren werden. Vielmehr sind wir davon beeinflusst, was um uns herum passiert. Durch unsere Eltern, die Familie, die Freunde und die zahlreichen Erfahrungen, die wir in unserem Leben machen. Schon im frühen Alter liebte ich es, zu zeichnen und zu malen. Wir alle haben Talente. Mein bestes Prüfungsergebnis in der Schule war Mathematik, aber ich verabscheute das Fach.

 

Ich las in einem Interview, dass du in früheren Jahren Mod ('a bit of a mod') warst. Jeder denkt gleich an den Film Quadrophenia, der Mitte der 60er Jahre spielt. Das war in deiner Jugendzeit, oder? Wie hast du die englische Jugendkultur erlebt? Wie hat sie dich geprägt?

In den Sechzigerjahren wandelte sich die Musikszene sehr stark. Als Teenager war es dann natürlich eine aufregende Zeit. Ich hatte allerdings wenig Geld, um mir die schicken Klamotten zu kaufen. Ich schaute, was ich mir aus Shops wie Harry Fenton oder denen in und um die Carnaby Street in London leisten konnte. Übrigens dort, wo später meine Karriere als Designer begann. Ich kaufte Mod-Shirts, Sta-Prest-Hosen und Desert-Boots und schon war ich ein „Kerl“. (lacht) Eine Dog-Tooth-Jacke und Kort-Hosen etc. … ja das war die coole Mod-Mode. Mein Vater hatte so ein Motorradoutfit. Eines aus Latex mit einer wasserabweisenden, taillierten PVC-Jacke und einer elastischen Hose. Ich dachte "Wow, in der Carnaby Street kostet die Jacke stramme 10 Pfund", also "verlor" mein Vater seine Jacke (lacht).

 

Ich konnte mir keine Vespa oder Lambretta leisten, aber Freunde besaßen welche, sodass wir am Wochenende gemeinsam zu unserem lokalen Jugendclubs oder Tanzveranstaltungen fuhren. Quadrophenia war ein Film, der zeigen sollte, wie es war. Die Kämpfe oder besser das Gerangel und Geschubse zwischen Mods und Rockern fand ab und an statt. In unserem Jugendclub gab es wenige tollkühne und unüberlegte Momente, wo alles etwas aufkochte. Im Allgemeinen war es wie heute, man tanzte und hatte eine gute Zeit, ohne großen Ärger. "a message to you rude boy" fällt mir dazu ein. „My Generation“ von The Who und „Dead End Street“ von The Kinks waren für mich die musikalischen Auslöser der Mod-Bewegung.

Später entwickelte sich der Punk und kombinierte mit Ska. Wie hast du die gesellschaftliche Verhältnisse und die Entwicklung der Musik Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre empfunden? Auf dem europäischen Festland wurde jedes Design, jede Veröffentlichung, förmlich aufgesogen.

Die Punkrock-Szene war klar gegen das Establishment. Sie war geprägt durch eine schnelle, laute und wütende Musik, die Mitte der 70er Jahre mit den Ramones in den USA und dann den Sex Pistols und The Clash in England begann. Als ich bei Chrysalis war, hatten wir Generation X mit Billy Idol und dann die hervorragenden Stiff Little Fingers aus Belfast, die mit harten sozialen und politischen Aussagen aufschlugen. Ende der 70er Jahre / Anfang der frühen 80er Jahre traf der Ska auf den Punk. Insbesondere um Birmingham und Coventry sprudelten die Ideen und fanden Ausdruck in neuen Projekten und Bands. Die Geburt des 2-Tone und den Bands The Specials, The Selecter, The Beat, Madness, Bad Manners und den von Reggae und Ska beeinflussten UB40.

Ich war sehr glücklich, die Gelegenheit zu haben, den "look and style" des 2-Tone, den Jerry Dammers entwarf, weiterentwickeln und neue, weitere Schwarz-Weiß-Grafiken designen zu können.

 

Deine große Zuneigung zum Ska war bereits damals vorhanden. Als freier Grafikdesigner trafst du in den 70er Jahren auf das 2-Tone Plattenlabel, wo du die erste Madnesssingle "The Prince" designed hast. Im Folgenden dann bei Chrysalis Records, welches auch The Specials, The Selecter und später Fun Boy Three produzierte. Wie kam es dazu?

Viele Plattenfirmen wollten The Specials, die als Support von The Clash auf Tour waren und mächtig einheizten und das Publikum begeisterten, vertraglich verpflichten. Allerdings hatten die Specials kein Interesse daran, sich zu binden. Sie wollten unabhängig bleiben und ihr eigenes Ding machen. Vor diesem Hintergrund war es faszinierend für uns, dass wir als Chrysalis den Deal erhielten.

 

Ich sah die Specials im The Greyhound Fulham spielen, was als „the record companies gig“ bezeichnet wurde. Ich stand neben Mick Jagger, der sie ebenfalls unter Vertrag nehmen wollte. Am nächsten Tag rief mich Doug Darcy von Chrysalis an, der mir mitteilte, dass wir Jerry Dammers und Horace Panter treffen werden. Der Anfang meiner 2-Tone-Ära.

 

Jerry Dammers und Horace Panter von den The Specials waren hauptverantwortlich für das Artwork und die Entwicklung. Oft hast du mit David Storey gemeinsam gearbeitet. Wie fand die Zusammenarbeit mit Jerry und Horace statt?

David wurde als Design-Assistent rekrutiert, weil wir viel zu tun hatten und großen Erfolg mit Projekten wie Jethro Tull, Blondie, Leo Sayer oder Rory Gallagher u.a. verzeichneten. David und ich wurden gute Freunde, und er half mir beim Album "Too Much Pressure" von The Selecter und bei der Single "Ghost Town" von The Specials. Jerry war die Hauptfigur auch bekannt als "The General". Er war, mit etwas Hilfe von Horace, für den Stil und die Schöpfung des schwarz-weißen Logos verantwortlich, welches Peter Tosh silhouettenhaft nachempfunden wurde. Das "cool dude, hands in pockets logo". Ich kam mit Jerry ganz gut klar. Mal kam er mit einer Plastiktüte voll Ideen und Zeichnungen zu mir. Mal rief er einfach nur kurz an, um die neue Designs abzusprechen. Ohne große Umschweife setzten wir die Ideen um und fertigten Reinzeichnungen an. Später kam die Mitarbeit bei Promotionvideos und im Marketing hinzu.

 

Foto: Jason Dodd Photography Foto: Jason Dodd Photography
John Sims John Sims

Der tanzende Ska-Man sowie die schwarz-weißen Karos sind zu einem elementaren, identifikatorischen Teil der 2-Tone-Zeit und -Musik geworden. Oft stehen sie für den SKA im Ganzen. Wie kommt es deiner Meinung  nach zu diesem Erfolg und vor allem zu dieser Langlebigkeit?

Den tanzenden Ska-Mann, "Nutty Dancer" oder "Nutty Skanker" illustrierte ich für die Madness Single "The Prince". Ich stützte mich hierbei auf das "cool dude Walt Jabsco dancing"-Logo, nachdem ich bei verschiedenen Veranstaltungen das Publikum skanken sah. Zunächst im Hammersnith Palais und danach im Electric Ballroom in Camden wo The Selecter, Madness und The Specials Teil der 2-Tone-Tour waren. Es war Chas Smash, der gerade den Nutty-Dance auf der Bühne vollzog und einen großen Schatten auf die Wand im Backstage projizierte. Das war die Inspiration. Heute bin ich zugleich fasziniert aber auch überrascht, dass dieses einfache, schwarz-weiße Design all die Jahre später weiterhin eine so große Bedeutung und Identifikation für die 2-Tone-Zeit und den Ska besitzt. Noch erstaunlicher finde ich es, wenn mir Leute ihre 2-Tone-Tattoos zeigen, die sie sich auf Arme, Beine oder den Oberkörper tätowieren ließen.  



Der schwarz-weiße Stil wird oft als ein politisches Statement verstanden, welches die Verbindung zwischen Weißen und Schwarzen und deren Gleichberechtigung sowie Integration beschreibt. Andere schmunzeln und sehen den Urgedanken schlicht in einem modischen Accessoir. Gibt es hierauf eine eindeutige Antwort?

Die Rassengleichheit von Schwarzen und Weißen bzw. die Integration von Schwarzen wurde ein Symbol des 2-Tone Ska. In einer Zeit von Rassenkrawallen und der Hochzeit der rassistischen National Front, förderte die schwarze und weiße Kleidung und die schwarzen Mitglieder in den Bands die Integration. Mit dem jamaikanischem Ska wurde auch die Stimmung der Zeit in den Texten gespiegelt. So waren eine Säule der Unterstützung der Rock Against Racism Bewegung die 2-Tone-Bands, die mit ihrem multiethnischen Auftreten von schwarzen und weißen Musikern zeigten, dass die Integration gelingt.



In 1983 bist du zu Zomba & Jive Records gewechselt. Was war in dieser Zeit passiert, dass es heute als die Endzeit des 2-Tone, der zweiten Welle, gezählt wird?

David Storey wurde Art Director, als ich den Posten des Creative Directors bei Jive & Zomba Records aufnahm. The Specials hatten sich aufgespalten. Jerry formierte sich neu als The Specials AKA und verbrachte zwei Jahre im Studio, um das Album "In The Studio" aufzunehmen. Die Produktion verschlang sämtliche Gewinne, die er in der  2-Tone-Zeit gemacht hatte. Geblieben ist die weltweit erfolgreiche Produktion der "Free Nelson Mandela"-Single. Zu dieser Zeit arbeitet ich an Bands wie Flock Of Seagulls, Roman Holliday, Billy Ocean und der erfolgreichen Shape Up & Dance Serie usw. In dieser Zeit hatte ich bereits seit anderthalb Jahren mein eigenes Design- und Artwork-Studio mit dem Namen Bouncing Ball Design, um mit der Musik, der Mode und den korporativen Kunden weiterzugehen.

2-Tone Ausstellung 2-Tone Ausstellung

Aktuell wird ein Cover-Album mit dem Namen "Specialized - A Modern Take On Specials Classics" promotet, dessen Gewinn einem guten Zweck zukommt. Was hat es damit auf sich?

Specialized war die Idee eines guten Freundes, Paul "Willo" Williams, gleichfalls Autor des Buches "Your Wondering Now" über The Specials. Es ist ein sehr erfolgreiches Projekt zugunsten einer britischen Kinderkrebshilfe. 41 Britische Bands und Künstler, die mit den Ska-Wurzeln verbunden sind, interpretieren Songs der The Specials neu. Sowohl die Songbeiträge als auch die Designarbeit wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Relativ jung ist das Folkestone Skabour Festival in Harbour, welches 2010 zu ersten Mal stattfand. Du bist einer der Gründer und Ideengeber dieses Festivals. Was wird uns 2013 erwarten?

Folkestone Skabour Festival ist ein erstaunlicher Erfolg gewesen, und sicherlich ein Vorbild für weitere, große Ska-Festivals. 2013 wird sich erweisen, ob es das größte und beste in Folkestone wird. In der Nähe vom Eurotunnel treten viele Spitzenbands wie The Skatalites, The Toaster, The Selecter, Neville Staple Band, The Beat, The Dualers und Folkestone's eigenen Intensified auf. Aus verschiedenen Gründen wurde das Festival nun auch umbenannt. Der neue Name lautet "Folkestone Ska Splash".

 

Vielleicht schon oft gefragt, aber dennoch: Wo kommt der Nickname "Teflon" her? Es hat etwas mit Tischtennis zu tun, oder?

Viele von uns haben Spitznamen in der Schule oder auf der Arbeit. Meiner entstand im Aufenthaltsraum von Chrysalis, wo eine Tischtennisplatte stand. Ich hielt den Schläger wie ein Pfanne, was einen Kollegen zur Bemerkung brachte "the famous Teflon frying pan shot". So war das.

Foto: Jason Dodd Photography Foto: Jason Dodd Photography

John Sims aka "Teflon" taucht immer wieder als Designer in Erscheinung. Hat er niemals ein Instrument in der Hand gehalten oder an eine musikalische Karriere gedacht?

Ich wünschte mir, ich hätte Gitarre gelernt. Als ich 16 Jahre alt war, wurde ich gefragt, ob ich als Sänger in einer Band anfangen wollte. Das habe ich nie umgesetzt. Ansonsten hätte ich wahrscheinlich Suggs und Terry verdrängt … (lacht).

 

Hast du eine ganz persönliche Meinung, warum die 2-Tone-Zeit derart begrenzt auf die Jahre um 1979 bis 1983 war? Gibt es ein Revival?

Für diese Periode war es gut und richtig so. Und ja richtig, es gibt ein massives Wiederaufleben mit einer neuen Generation von Anhängern und neuen Bands. Zumindest in England.

 

Was sind heute deine musikalischen Favoriten?

Meine Geschmäcker in der Musik sind ziemlich kosmopolitisch. Noch gestern Abend sah ich eine großartige Band namens Blaise Paisel. Beim Ska liebe ich alle Ska-Bands. Insbesondere The Selecter sind heute wieder eine sehr interessante Band. The Specials gehören ebenso dazu wie The Beat, Madness und Bad Manners. The Dualers, The Skanx, The Estimators und Blaster Master nicht zu vergessen.

 

John, ich danke dir ganz herzlich für das Interview und wünsche dir für die persönliche Zukunft und deine Projekte alles Gute und weiterhin sehr viel Erfolg!

 

DerDUDE

Grafiken: John Sims | Fotos: Jason Dodd Photography

www.2toneposters.co.uk | www.picturethisdesign.co.uk
| www.folkestoneskasplash.com | www.specializedcharityalbum.co.uk