Freedom Sounds Festival - Köln 2014

Ungekürzter Festivalbericht für das Dynamite Magazine 3/2014.

 

 

Freedom Sounds 2014 in Köln Freedom Sounds 2014 in Köln

Freedom Sounds Ska & Reggae Festival (2. bis 3.5.2014, Gebäude 9, Köln)

 

Zum zweiten Mal begab sich die Kölner Musikszene in die traditionellen, historischen und bedeutungsschwangeren Gefilde des internationalen Ska, Rocksteady und Reggae. Zwei Tage mit einem vollen, abwechslungsreichen Programm des gepflegten und intensiven Offbeats. Mit über 800 Besuchern an zwei Tagen wird einmal mehr deutlich, dass Ska, Rocksteady und Reggae eine partyfreudige und offene Basis besitzt, die sich durchaus der musikalischen, jamaikanischen Wurzeln bewusst ist und diese ausgiebig zu feiern weiß. Das von der Schließung bedrohte Gebäude 9 bot einen passenden und optimalen Rahmen, um die Faszination eines globalen Kulturfestes zu transportieren und ihre Daseinsberechtigung beeindruckend zu untermauern.

 

Der Name Freedom Sounds ist nicht nur Programm, sondern echte, gelebte und gefühlte Musik- und Festivalkultur. So ist der Freiheitsgedanke in zahlreichen Songs der Künstler ebenso zu finden wie in der teils atemberaubenden und friedlichen Atmosphäre während der einzelnen Darbietungen. Und gerade heute, in Zeiten des verbalen Säbelrasselns der Großmächte in der Ukraine, möchte man meinen, dass dieser einfache Friedensgedanke oft genug wieder aus dem Blick gerät.

 

Neben dem sehr ehrgeizigen, straffen musikalischen Programm wurde das Event bereits Nachmittags von einer Comic-Ausstellung namens "Fahrradmod", Charityprojekten sowie ersten DJs eröffnet. Vibe Explosion, Conjahs Fiyah und Ska-Ba-Dub gaben sich frühzeitig die Ehre, um das Warm-Up zu gewährleisten. Etwas chilliger ging es dann im kleinen Biergarten zu, der umrahmt von scheinbar abbruchreifen Industriehallen, alten Rohrleitungen und bunt besprühten Mauern seinen ganz speziellen Reiz besaß. Es fehlten eigentlich nur noch die feuerentfachten Blechtonnen und ein eher ungewolltes Bronxfeeling wäre sicher gewesen.

 

Vorweg kurz die gute Nachricht, dass sich die Beteiligten für den Erhalt des Kunst- und Veranstaltungszentrums Gebäude 9 in Köln ausgesprochen haben. In kürzester Zeit wurden 16000 Unterschriften gesammelt, um der Bedeutsamkeit des Ortes Ausdruck zu verleihen, der den professionellen und zugleich charmanten Rahmen für ein internationales Skafestival bot.

 

Sehr spannend und interessant wurde das Festival bereits Tage zuvor von Kinoevents wie "The Roots Of Reggae" oder "The Harder They Come" eingeleitet. Absolutes Highlight war sicherlich die deutsche Filmpremiere von "Legends of Ska", bei der an zwei Tagen der amerikanische Produzent und Regisseur Brad Klein höchstpersönlich anwesend war und bereitwillig Fragen beantwortete und aus dem Nähkästchen plauderte. Der Einblick in die Musik der Urgesteine des jamaikanischen Ska aus den 50iger und 60iger Jahren hat über zwölf Jahre gedauert, wobei Filmmaterial und Interviews aus mehr als 200 Stunden auf Kinoformat zusammengeschnitten wurde. Faszinierend aber eigentlich auch einleuchtend berichtet Klein ehrlich darüber, dass manch Filmaufnahmen privat auf eBay ersteigert wurden, weil die damaligen Musiker und Produzenten einfach kein Geld für eigene Aufnahmen hatten.

Foto: Ulrich Grobusch Foto: Ulrich Grobusch

Im industriell, hallencharakteristischen Flair bot das Freedom Sounds Festival eine große Hauptbühne sowie eine kleinere "Acoustic Stage", die im ununterbrochenen Wechsel bespielt wurden. Dabei hatte manch Gig im Wohnzimmerformat mächtig Charme und Stil, wie zum Beispiel Masons Arms, Johnny Reggae Rub Foundation oder The Nicks, die Mick Clare und Joe Scholes begleiteten. Wenn dann der ein oder andere Klassiker aus der 2Tone-Zeit performt wurde, ging es schon mal recht ohrenbetäubend und frenetisch zu. Insbesondere die eigentlich dreiköpfigen Johnny Reggae Rub Foundation gewinnen mit voller Bandunterstützung der Masons Arms sagenhaft an Ausdrucksstärke, was das Publikum sehr gerne aufgenommen und mit reichlich Applaus bedacht hat. Nicht nur Musiker zum Anfassen inklusive, denn der Raum platzte zeitweise schon recht heftig aus allen Nähten, was allerdings kaum einem Fan davon abhielt, abzurocken und mächtig das Tanzbein zu schwingen, soweit es eben möglich war.

 

In der anliegenden, großen, bis zu 500 Personen fassenden, Eventhalle bot sich schon mehr die Option des ausgiebigen Tanzens. Und dazu gab es an beiden Tagen allen Grund. Die Bostoner Bim Skala Bim hatten den grandiosen Posaunisten Chris Rhodes im Gepäck, der ansonsten bei den The Toasters oder den Mighty Mighty Bosstones das Blech bläst. Nach sehr langer Veröffentlichungsabstinenz wurde die neue CD "Chet's Last Call" gleich mitgebracht. Ein weiterer Hauptact des ersten Abends hatte es ganz schön in sich: Die dreizehnköpfigen The Trojans. Und das lag nicht zuletzt an Zoe Devlin, die stimmgewaltig und mit perfektem Skank so manch Zuschauer staunend und fasziniert die Kinnlade außer Kontrolle geraten ließ. Ein weiterer Special Guest war die Studio One-Legende Vin Gordon, der seinen Posaunenzauber bereits bei Bob Marley & The Wailers oder den Skatalites unter Beweis gestellt hat. Der markante Sänger und Kopf der "UK’s Buena Vista Social Club of Ska" Gaz Mayall tat sein Übriges, um die Menge auf Trab zu halten. Auf der Bühne und später auch mit einem sensationellen DJ-Auftritt im kleinen Saal.

 

Der zweite Abend wurde durch die alteingesessenen The Nicks aus Krefeld eingeleitet, die mit Joe Scholes (The Braces) und Mick Clare, dem früheren Sänger und Komponisten der Hotknives, ein spannendes Set ablieferten, dass auch den gewohnt und gekonnten Rocksteady nicht vermissen ließ. Beide, Joe Scholes und Mick Clare, hatten dann auch auf der Acoustic Stage nochmals die Gelegenheit ihr Bestes zu geben, wobei es zu tobenden Menschenmassen kam, die sich in dem relativ kleinen Vorraum versammelt hatten. Als Lokalmatadore wurden die The Clerks engagiert, die die ehrenvolle Aufgabe hatten, keinen weniger als Mr. T-Bone und Tommy Tornado zu supporten.

Tornado spielte Saxofon bereits mit Alton Ellis, Derrick Morgan, Dave Barker oder Rico Rodriguez und zeigte auf der Bühne, dass er mit seinem Instrument verliebt und verwachsen zu sein scheint. Obwohl die The Clerks schon etwas unter Zeitdruck standen, so Frontmann Gero, gelang es auch den Ausnahmeposaunist Mr. T-Bone aus Italien zu unterstützen und geschmeidig mit der Band in Einklang zu bringen. "The Sound Of The Clerks" gab es dann auf Vinyl am Merchstand.

Legends Of Ska - Film Doku 2014 by Brad Klein Legends Of Ska - Film Doku 2014 by Brad Klein

Im Anschluss kamen Maroon Town aus London auf die Bühne, die - wie schon die meisten Bands zuvor - mit neun Musikern bühnenfüllend, bläsergeprägt und voluminös auftraten. Das Feuerwerk des guten, gepflegten traditional Ska gemixt mit Rap- und Dubelementen wurde fortgeführt. Die einzigartigen Performer Keith & Tex betraten hiernach die Bühne, um die einzige Europatour in 45 Jahren in Köln zu beenden. Feinster Rocksteady, der spätestens beim Kultsong "Stop That Train" auch den letzten Besucher in der hintersten Reihe zum Tanzen, Grooven und vor allem Mitgrölen bewegte.

 

Aus Ungarn kam der letzte Hauptact des Abends: Pannonia Allstars Ska Orchestra oder kurz PASO. Die Budapester Clubband rundet das gesamte Programm mit feinem traditional Ska und Roots-Reggae ab, welcher sehr geschmeidig und professionell präsentiert wurde und äußerst dankbar vom Publikum angenommen wurde.

 

Das Fazit bezüglich dieses grandiosen Zweitagefestivals fällt im Grunde genommen sehr kurz aus: Krass! Wie viel Herzblut in der sehr guten Organisation und nahezu perfekten Umsetzung steckt ist nicht nur an den eingeladenen Bands und Projekten, sondern auch sehr rasch Vorort festzustellen. Während Peter Clemm, einer der drei mutigen und engagierten Hauptorganisatoren, freitags noch etwas besorgt dreinschaute, so verschwanden samstags doch recht schnell die Sorgenfalten und wurden in ein entspanntes und freudiges Gesicht getauscht. Die Bandauswahl, die sich doch recht eng an traditionellem Ska, Rocksteady und Roots-Reggae orientiert, zeugt auch von einer großen Portion Selbstbewußtsein und Liebe zu dieser "alten" Musik. Mit Ska-Punk-Krachern wie Ska-P und Konsorten hätte man sicherlich einfacher Publikum werben können. Aber einfach kann halt jeder. Und nicht jeder kann sich so international breit aufgestellt und sympathisch präsentieren, wie es das Freedom Sounds Festival geschafft hat. Respekt! Schon an den Nummernschildern der parkenden Autos war zu erkennen, dass dieses Festival in nur kürzester Zeit bundesweites Interesse geweckt und Besucher angelockt hat. Die Bands, Veranstalter und vor allem die Besucher sind sich allumfassend einig: Wir freuen uns auf das Freedom Sounds Ska & Reggae Festival in 2015! Und das im Gebäude 9!

 

Bericht: DerDUDE

Fotos: Ulrich Grobusch

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