Reviews 2018
Yellow Cap, “Too Fucked To Go"
Pork Pie, CD/LP 2018
Wahnsinn wie schnell die Zeit vergeht. 20 Jahre gibt es die neun Görlitzer nun. Natürlich auch zu diesjährigen herbst-winterlichen Zeiten, wo sie als musikalische Eisbrecher den Skaherzen mit ihrem fünften Album einheizen. Auch wenn sie nicht erwachsen werden wollen, ist der Scheibe deutlich ihre Professionalität und Spielfreude anzuhören. Da schmettern ganze 13 Songs durch die kuscheligen Ohrwärmer in den Gehörgang. Ihre Weltoffenheit und Grenzenlosigkeit ist nicht nur an den rein englischen Texten, sondern auch an ihren weltumspannenden Touren, zum Beispiel Südamerika, zu spüren. Hier rührt auch der ein oder andere Text her.
Der Stil lehnt sich überwiegend am 3rd Wave-Ska an, besitzt aber auch ganz eigene Facetten, wenn einem die Blues Brothers mit dunklen Sonnenbrillen vor Augen erscheinen (Song drei „One More Night in Rio“). Bei Stück fünf „Save & Sound“ darf auch gerne mal an die The Busters gedacht werden. Schön! Ein Instrumental darf natürlich auch nicht fehlen und rundet den Silberling mit Song 10 „Theme De Fantomas“ ab. Quasi zum Runterkommen. Ansonsten geht es frisch-fröhlich zwischen Pop, (traditional) Ska und Reggaeelementen hin und her, wobei dann doch deutlich der 3rd-Wave-Ska überwiegt. Für die dunkle Winterzeit gerade das richtige, um dem Vitamin D-Mangel zu begegnen und ein kleines Tänzchen zwischen geplündertem Gabentisch und glitzernden Weihnachtsbaum zu wagen.
Mit dem Albumtitel „Too Fucked To Go“ sind sie sicherlich selber gemeint. Die Scheibe setzt ein Zeichen, dass sie da sind und auch keine Ambitionen besitzen, daran etwas zu ändern. Erneut eine feine, faszinierende Veröffentlichung mit fettem Sound und coolem Gesang, die zu fesseln weiß. Das macht das Warten auf den Sommer deutlich erträglicher!
DerDUDE
Skatapult, Halbe Sachen, EP 2018, Eigenvertrieb
„Halbe Sachen“ sind so ihr Ding. Eine LP oder ein Album gab es von der siebenköpfigen Band aus dem schönen Wien, die ihre eigene Musik als „Post-Ska“ bezeichnen, noch nicht. Dafür eine Single „Jag mich durch die Straßen“ (2015) und eine EP „Tanz dagegen an“ (2017). Das ist nun nicht gleich ein Fehler, nährt eventuell etwas das Vorurteil, der gemächlichen Wiener Art, was natürlich ebenfalls nichts Schlimmes ist. Dafür gibt es zwischen 2015 und 2018 satte sechs Videos, was ja schon mal eine coole Ansage ist.
„Post“-Ska ist auch vielleicht ein etwas schwieriger (soziologisch geprägter) Begriff, denn natürlich sind die Offbeats, der (Ska)Punk oder die Polkaeinflüsse nicht neu. Deutschsprachig geht es mit fünf deftigen Songs durch die schmucke Scheibe, die Vieles zu bieten hat, eben viele Einflüsse. Das ist spannend, aber auch nicht neu. Und mit Pop hat es auch wenig zu tun. Inhaltlich geht es um „Geschichten von lähmenden Versagensängsten, tief schlummernden Sehnsüchten und zelebrierender, hymnenhafter Sozialkritik.“ Das Cover bietet keine Songtexte oder weitere Infos, eben eine halbe Sache. Gewollt spartanisch? Wenn man mit dem großen Begriff „Post-Ska“ rauskommt, dann muss da auch inhaltlich und musikalisch richtig was passieren.
Was wirklich post-kritisch ist, ist die Tatsache, dass ich die Scheibe und Skatapult jedem empfehlen möchte, der auf spannende Musikinterpretationen und sau gute Livemusik steht. Denn das, das können sie! Davon bin ich überzeugt.
DerDUDE
The Unduster, The Red Album, CD, Digital 8/2018, Eigenvertrieb
Das lila Album, ähm, grüne Machwerk, ähm, heißt “The Red Album”. Wie dem auch sei, schieben die Niederbayern, gegründet 2011 in einem dunklen Kellergewölbe, ein Album raus, was durchaus dafür geeignet ist, den trüben, grauen Herbst deutlich erträglicher zu machen.
In elf Songs schmettern die 12 Offbeater einen Mix aus Ska, Reggae und Rap raus, der dann auch die letzten goldbraunen Blätter vom rustikalen Geäst fegt. Was das Ganze so durchdringend fett klingen lässt ist sicherlich auch die voluminöse fünfköpfige Bläserfraktion, die mit Altsax, zwei Trompeten, Tenorsax und Posaune für den entsprechenden mächtigen Wind sorgt.
Durchaus Ohrwurmcharakter besitzt der Song „Typen wie du“, der dann auch die Rapelemente mit den Ska- und Reggaesounds sehr gelungen und erfrischend mischt (siehe Video). Stimmgewaltig erinnert der ein oder andere Song durchaus auch an The Busters. Dabei bleibt ihnen zu wünschen, dass sie nicht ganz so viele Leadsänger verschleißen. Sorry, klar, The Busters gibt es natürlich auch schon länger. War auch nur so ein Gedanke J.
Die gesamte Scheibe klingt auf jeden Fall frisch, laut, partymäßig und energiegeladen. Sie macht durchweg Spaß. In englisch-deutscher Sprache stehen politische bis private Themen auf der Liste, was jetzt nicht wirklich ein Alleinstellungsmerkmal ist, aber eben auch kein Manko darstellt.
Letztlich gefällt mir dieses „violette“ Album echt äußerst gut, auch, und insbesondere weil ich mir Zeit genommen und es öfters gehört habe. Vielleicht werde ich ja der zweite Fan, der die Texte mitsingt (Song acht: „Dieser eine Fan“). Wenn es die Band schafft, die 12 MusikerInnen auch live dauerhaft auf die Bühne zu bringen, geht hier richtig was! Da wird der dröge, graue Herbstblues tatsächlich zum „fulminanten Dauerfeuerwerk aus Ska, Reggae und Rap“ und taugt auch für eine skankende Weihnacht oder einen feurigen Offbeat-Silvesterabend. Also Augen und Ohren auf!
DerDUDE
The Pressure Droppers, Ricochet, CD 2018
Nur wenigen dürfte die Kölner Band „Skankaroos“1) (2005) etwas sagen. Jedoch liegen hier die Ursprünge der neueren, siebenköpfigen Kölner Combo“ The Pressure Droppers“ rund um den Frontmann Niklas, die mit ihrem Debütalbum gleich mal tief, tief in die historische Rocksteady- und Early Reggae-Kiste greifen und den Original Ska hochleben lassen. So laden sie auf eine faszinierende Reise in die musikalische Vergangenheit ein.
Das Album mit dem Titel „Ricochet“ besitzt 12 Songs plus zwei Bonustracks, was schon mal ganz charmant daher kommt. Der „Querschläger“ trifft voll in die Herzen der Vollblutskanker des geschmeidigen Offbeats. Neben traditional 60ies Ska mischt sich auch schon mal ein hallendes Dubelement (Bonustracks), was der Scheibe insgesamt ganz gut tut, da sie nicht in einem Oldschool-Skastil stecken bleibt. Instrumentals wechseln sich mit einem eindringlichen und oft tiefen Gesang ab, der die groovenden Songs mit rein englischen Texten rund und perfekt unterstützt. Groovend bedeutet ja auch, die Aufnahme intensiv wahrzunehmen, was genau hier der Fall ist. Es ist halt alles etwas gediegener, eher zum leichten Swingen, zum Wippen und gespannten Zuhören, denn die Qualität der Musik ist durchaus bemerkenswert. In zahlreichen Soli zeigen die einzelnen Bandmitglieder ihr beachtliches Können. Unaufgeregt, speziell und durchdringend, wobei die vorlauten Bläser ihre zahlreichen Spielplätze erhalten, um sich gekonnt auszutoben. Das lauteste und dennoch verhaltene Instrument ist die Hamondorgel, die sich ab und zu mal vorsichtig in den Vordergrund drängt.
Seit jeher faszinieren mich immer wieder die „SkaTrain“-Songs in den früheren Epochen des Ska, Song sechs „Bount To Score“ erinnert mich etwas daran. Nicht zuletzt hat Victor Rice ein Ausrufezeichen gesetzt, in dem er die Scheibe abgemischt und so zur klanglichen Perfektion beigetragen hat.
Mein Fazit: Die Kölner Skaszene ist immer wieder für coole Überraschungen gut.*) Auch wenn sie dazu immer etwas länger braucht, denn die The Pressure Droppers spielen schon seit 2014 zusammen. Sie sind ein super Beispiel für „Gut Ding will Weile haben.“ Alle Daumen hoch!
DerDUDE
1) 2009 gab uns Niklas von den damaligen Skanakroos ein Interview.
*) Kapelle 3# und Los Apartamentos lassen jetzt schon mal mit kommenden Neuveröffentlichungen grüßen …! Man darf gespannt sein.
Out Of Frame, Remember, CD, Frame Records 2018
Das Cover der CD kommt schon mal ganz schick daher, denn der Mix aus Gold, Schwarz und Weiß wirkt schon recht edel. Elegant, minimalistisch und aufgeklärt wirkt das feine Design. Ich kann es gar nicht so richtig erklären, warum mir die Österreicher, die sich bereits 1996 zusammenfanden, so ans Herz gewachsen sind, dabei traten die Vorarlberger bisher plattentechnisch kaum in Erscheinung. Die erste Produktion „Seems To Be Nothing“ führt auf das Jahr 2001 zurück. Vielleicht beeindruckten mich die Interviews mit ihnen aus den Jahren 2001 und 2010 (Es ist mal wieder eines fällig, so dünkt es mir gerade).
17 Jahre später erscheint nun das zweite Album der fünfköpfigen Band "Remember", das (fast) komplett ohne Bläser auskommt und dennoch gitarrentechnisch dem Offbeat huldigt. In den meisten der zehn Stücke zumindest. Und das machen sie professionell, gut gemischt, solide und ohne zu viele Experimente, die manch andere Scheibe oft konzeptionell „zerschießt“. Ska, Punk, (etwas) Soul und Rock wird von Song zu Song individuell gemixt, wobei die coole, rockige Stimme des Sängers Andreas ständiger Begleiter ist und oft von den Bandkumpels choral unterstützt wird. Textlich fahren sie durchweg auf der englischen Schiene. Third-Wave Ska vom Feinsten, um mal eine Schublade zu bedienen.
Wenn sie nach weiteren 17 Jahren ihr drittes Album veröffentlichen, das wäre 2035, stehe ich wohl knapp vor der Rente. Aber ich schwöre, auch diese Scheibe werde ich besprechen, so Aitken will!
DerDUDE
Interview 2010 (das waren noch Designs! :-))
Johnny Reggae Rub Foundation, This is Ska, 7” Single Vinyl, Pork Pie 2018
Die unaufhörlich spielenden und produzierenden Johnny Reggae Rub Foundation sind wieder am Start. Das Trio huldigt diesmal dem größten deutschen Skafestival „This is Ska“ mit einer echten Hymne auf einer 7“ Single, die selbigen Namen trägt. Jörg Folta (This is Ska-Festival), mit Ideengeber und Promoter, war ebenfalls von der ersten Sekunde vom Projekt begeistert. Was geht? Es geht Rocksteady vom Feinsten. Gewohnt etwas schrill, durchdringend und prägend, wie es sich für eine Hymne gehört. Ob die knackigen und spitzen Stimmen von Sänger Johnny Ska und Chrissy Reggae sowie die schellende Hammondorgel am frühen Morgen die müden, verkaterten Camper zum Skanken bringen wird, wird zu testen sein. Umso besser ist der Sound geeignet, ihn auf dem Weg zum Festivalgelände zu hören, laut, um sich auf den Offbeat gebührend vorzubereiten. Vielleicht ja auch im großen Chor mit anderen Festivalbesuchern, wer weiß.
Die Rückseite des schwarzen Goldes bringt einen Song zum Vorschein, der eine enge Anbindung an Judge Dread besitzt. „Oi Oi Oi“. So ist er dann auch, schlüpfrig und etwas anzüglich. Feministinnen können sitzen bleiben, Chrissy Reggae singt den Song und bringt mit einer richtigen Portion Augenzwinkern und charmanten Lächeln, die angemessene Atmosphäre rüber. Alles gut. Auf die Frage, wie die Songs zustande kommen, antwortet Johnny Ska gewohnt gelassen „Die Lieder kommen zu mir, wenn ich sie dann nicht mache, sind sie weg.“
Fazit zur Single: Eine schöne, spontane Idee mit durchgängigem Ohrwurmcharakter, der jetzt nichts fürs Katerfrühstück am Zelt ist. Halt cooler, eingängiger Rocksteady. DerDUDE
Tequila And The Sunrise Gang, “Of Pals And Harts“, Uncle M Music, CD 4/2018
Die achtköpfige Band aus Kiel präsentiert ihr neues, schmuckes Album, was „von Kumpeln und Herzen“ erzählt, “Of Pals And Harts“. In krassen 16 Jahren Schaffens ist es der fünfte Silberling, der hier aus der Taufe gehoben wird. Ska, Reggae und Rock formen sich zu einer melodischen und recht abwechslungsreichen Soundkompositionen, die gerne auch mal zwischen textlicher Wut und Euphorie sowie Ruhe und Sturm schwankt, so die Band. Los geht es mit zwei fetten, schnellen und lauten Ska-Sounds “Me Against The World“ und „Keep Me Arrested“. Es gibt einige Ska-Reggaeteile, die dann doch oft nachdenklicher sind und das eben auch die Musik spiegelt, Song „Beautiful Day“ und „Everything“. Fett wird es vor allem, wenn die geballte Kraft der Bläserfraktion zuschlägt und mit Trompete, Posaune und Saxofon das Feld übernimmt, siehe Song „Last For Now“, der mächtig abrockt. Mit Ska-Punk bekommt man es in Song sieben zu tun „Last Time First Time“.
Auffällig ist, dass kräftig zwischen den Stilen gemixt wird, aber jeder Stil auch seine eindeutige Chance bekommt. Also kein schnöder Mix ohne Verstand. Durchgängig professionell, manchmal von gröhlenden, choralen Gesang unterstützt, kommt die markante Stimme des Sängers René rüber, die mal etwas rauchig, mal etwas spitz, mal mehr melodisch variiert. Es ist halt eine Scheibe zwischen Punkrock und seichteren Klängen des Ska und Reggae. Kreativität wird ebenso groß geschrieben, wie die Lust auf das Einlassen auf unterschiedliche Stile und damit auch Geschwindigkeiten. Da kann oder muss man vielleicht auch zwei Mal reinhören, um das ein oder andere Stück richtig lieben zu lernen. Genau das macht nicht selten eine gute Scheibe aus. Ich freue mich jedenfalls, sie im Sommer 2018 auf dem „Eier mit Speck“ Festival in Viersen live sehen und hören zu können. DerDUDE
Dactah Chando, Global CityZen, Achinech Productions CD 2018
Nach Veröffentlichung des letzten Live-Albums hat sich Dactah Chando wieder ins Tonstudio gewagt und mit „Global CityZen“ ein weiteres Meisterwerk geschaffen! Die insgesamt elf Tracks (inklusive zwei Dub-Versions) überzeugen vom ersten bis zum letzten Ton! Moderner Roots Reggae bildet dabei das stilistische Fundament, lässt jedoch immer wieder Raum für die verschiedenen Spielarten jamaikanischer Musik. Das Songwriting sowie die Kompositionen überzeugen auf ganzer Linie und bestätigen eindrucksvoll, dass es sich bei Dactah Chando um einen Ausnahmekünstler handelt. Seine markante Stimme, der Flow seiner spanischen und englischen Lyrics sowie die ehrlichen und gefühlvollen Inhalte sprechen dafür, dass der Kanare in den nächsten Jahren noch deutlich an Bekanntheit gewinnen wird.
Der Sound des mittlerweile sechsten Albums kann schlichtweg als brillant bezeichnet werden! Ist natürlich auch kein Wunder, wenn sich Gentlemans Evolution Band mit dem begnadeten Produzenten Umberto Echo im Tonstudio trifft, um gemeinsame Sache zu machen: Ein Album mit und für Dactah Chando zu produzieren, dass sich durch einen eigenen unverwechselbaren Charakter vom Einheitsbrei abhebt und musikalisch sowie soundmäßig in der obersten Liga spielt! Hat funktioniert, Kompliment! ¶ Andi Rüttger
Dr. Woggle & The Radio, Drop Bombs To Lose, Soulfire Artists CD 2018
Endlich!!! Das langersehnte und mittlerweile vierte Studioalbum der „Woggles“ ist auf dem Markt! Und es klingt grandios! 14 Songs, die beim ersten Hören sofort einschlagen und einen mitnehmen auf eine Reise nach „Weinheim City“, der Keimzelle von Dr. Woggle & The Radio. Die Jungs haben sich Zeit gelassen, aber es hat sich mehr als gelohnt!
„Drop Bombs to lose“ klingt fantastisch und macht die „Skip-Funktion“ am Player komplett überflüssig. Lange nicht mehr erlebt, dass ein Album so fesseln kann und mit jedem Song die Lust auf den nächsten steigt! Musikalisch bewegt sich alles im Kosmos jamaikanischer Musik, von Ska zu Rocksteady bis Reggae. Doch der typische „Woggle-Sound“ kommt in jedem Song spürbar zum Tragen und sorgt immer wieder für Gänsehaut ... Der charakteristische soulige Gesang harmoniert perfekt zu den rollenden Instrumentals, die eingängigen und traumhaften Melodien werden von Bläsern und Streichern leidenschaftlich intoniert und mit dem Songwriting haben sich Dr. Woggle & The Radio wieder mal selbst übertroffen. Großes Lob an eine Band, die schon lange dabei ist und sich mit purer Leidenschaft und Liebe zur Musik im Tonstudio eingeschlossen hat...so entstehen Hymnen! ¶ Andi Rüttger
Skameleon, Ska Makes Everything Better, 2018 CD, Download, Eigenvertrieb
Da sach noch mal einer, dass der hessische Lahn-Dill-Kreis musikalisch nichts zu bieten hat. Cover sind definitiv nicht jedermanns Sache, aber hier fand ich es schon bei ihrer ersten CD voll OK („Humba Humba Täterä“, 2014). Auf Nachfrage, ob die neue Scheibe auch eigene Songs enthält, wurde mir gesagt, dass sie beim Covern bleiben. Schuster, bleib‘ bei deinen Leisten, so auch ein schlaues Sprichwort. Und Covern bedeutet bei den neunköpfigen Skameleon auch nicht nur reines Nachspielen, sondern recht eigenwillige Skainterpretationen, die in elf Songs ihren ganz eigenen Charme entwickeln. Frech-feurig werden große Welthits wie „Kung Fu Fighting“ (Carl Douglas) interpretiert, die Neue Deutsche Welle wiederbelebt „Alles nur geklaut“ (Die Prinzen) und Filmmusik akustisch neu eingekleidet. Alles immer recht rockig bis poppig und nicht selten aus den 90igern. "We don't like Ska ... we love it!", so ihr Slogan.
Zweistimmig geht es mit Katrin und Philippe durch die Wiedergeburt der Songs im schicken, neuen, bläsernen Skagewand. Beide besitzen sehr eingängige und individuelle Stimmen, die auch den eigenen Charakter der Scheibe ausmacht. Und, ich gebe es zu, meine Liebe zu Katrins Stimme ist ungebrochen, zum Beispiel in Song acht „Beat it“. Die Musiker sind ehrlich, bodenständig, haben null Starallüren, aber eine Riesenmenge Spaß am Covern. Und das merkt man auf der Scheibe, die dann auch das skeptischste Publikum letztlich mitzureißen weiß, wenn das voluminöse Getöse der zwei Posaunen und einer Trompete loströtet. Und, geht es nicht genau darum? Da ist es auch nicht so wild, wenn das CD-Outfit etwas spartanisch daher kommt. Ich sage ja zu dieser mutigen Band und ja zum Covern, auch wenn es nicht täglich sein muss. Hinter Song elf, ab der 8:18 Minute, gibt es noch einen kleinen Oldi-Bonustrack, der allerdings nichts mit Ska zu tun hat: „Anita war ein Junge“ von Funny van Dannen.
Gerne vergebe ich das Prädikat „sehr gut“ und „absolut hörenswert“. Wieder einmal ein kleiner Tipp für Veranstalter, die auch mal eine engagierte, spritzige und junge Skaband im Konzert- oder Festivalprogramm haben wollen. Nehmt sie! Sie haben es verdient, das Publikum hat es verdient. Denn: "Ska Makes Everything Better" DerDUDE
Tracklist:
1. Intro Sandman (Metallica) | 2. Wonderwall (Oasis) | 3. Coco Jambo (Mr. President) | 4. In the Shadows (The Rasmus) | 5. Everybody (Backstreet Boys) | 6. Hot Ska (Donna Summer) | 7. Kung Fu Fighting (Carl Douglas) | 8. Beat It (Michael Jackson) | 9. Sweet Dreams (Eurythmics) | 10. Toxic (Britney Spears) | 11. Alles nur geklaut (Die Prinzen) | 11,5. Anita war ein Junge (Funny van Dannen)
CD-Review: „Humba Humba Täterä“, 2014
Shanti Powa, „Til Insanity“, Soulfire Artists, CD/Download 2018
Das Powa Alleinstellungsmerkmal ist sicherlich das geschmeidige Gesangsduo bestehend aus Sängerin Alice Y Me und Sänger Bertrand samt DJ. Recht bes(ch)wingt geht es im Stile von Funk, Reggae, Ska, Rock und Hiphop durch die 14 Stücke. Davon bestehen zwei aus Dubmixes von Umberto Echo (Music is Our Weapon / Top of the World). Die sieben Jahre Musikerfahrung sind auch bei der Soundqualität der 12-köpfigen Combo deutlich zu spüren – bei dieser Größe und dem Volumen kann man auch schon fast von einem Orchester sprechen. Inhaltlich treiben sie uns „zum Wahnsinn“ („Til Insanity“) so auch der Titel ihrer dritten CD, der uns dann letztlich in die „Therapie“ der Kreuzwort treibt. Vielleicht spielen die beiden Bands ja mal zusammen, besser dann in der Reihenfolge. Aber keine Angst. Eigentlich wirkt die gesamte Komposition viel zu sauber und professionell, um gleich psychologisch abzudrehen. Tanztechnisch dafür umso mehr. Politisch geht es in Richtung Aufforderung, etwas zu tun und nicht nur zuzusehen; Medien- und Materialismuskritik inklusive.
Kurz darf aus dem Pressetext zitiert werden: „Hier treffen unterschiedliche Nationalitäten und Musikstile aufeinander – auf bunte & dynamische Art.“ Yep, so ist es. Letztlich geht es um eine mächtige Portion Crossover mit viel Powa. Ska taucht hier eher etwas marginalisiert auf. Spaß haben auf jeden Fall die Freunde des spielerischen Reggae, der klangvollen Weltmusik und des Hiphop. Die Komposition aus politisch korrekter Einstellung, technischer Vielfalt und musikalischer Umsetzung gefällt. Eine runde Sache. Konzeptionell eine Band für das Summerjam Festival am Fühlinger See in Köln. Daumen hoch. DerDUDE
Kreuzwort, „Therapie“, Soulfire Artists, CD/Digital 05/2018
Musikbesprechung ist immer auch eine Stimmungssache, klar. Gerade passt der Ska-Reggae, Rap und Dancehall von Kreuzwort richtig gut in das vorsommerliche Feeling. Da ist auch viel Festivalstimmung dabei, welche bei der Scheibe „Therapie“ rüberkommt, die im Mai 2018 das Licht der musikalischen Welt erblickte. Mit fetten 13 Songs im deutschtextlichen Gewand prescht die Combo vor und wird deutlich durch das Gesangsduo, Chris und Mario, geprägt, die krass gut bis genial performen. Nach dem Debutalbum „Lecker“ bekommen wir nun das nächste Klangmenü serviert. Out of Rosenheim kommend streifen die neun Jungs die ländliche Attitüde ab und steigen ein in den dampfenden Express der bunten, wilden Weltmusik. Rosenheim trifft auf die weite, gefährliche und doch faszinierende Welt mit „Fickfingerraumschiff“en, „Depression“en und „Blechzylinder“n. Bei so viel schwerer Vielfalt kann schon mal eine Therapie angesagt sein. Aber nein, vielleicht manchmal etwas verrückt, dann wieder einfach und letztlich immer äußerst eingängig mit geschmeidigem Ohrwurmcharakter. Sehr basslastig, bläserbetont und teils elektronisch – der Offbeat oft nur eine Beilage.
Das Ganze erinnert doch auch sehr stark an Seeed (Song sechs: Der Weg). Auch Erinnerungen an die Sondaschule sind nicht ganz von der Hand zu weisen und gefallen auf ihre dennoch ganz eigene Art und Weise. Der Mix zwischen rasant schnellen Songs bis hin zu ruhigeren Balladen (Song sieben: Beziehungsweise) tut sein Übriges. Why not! Bei „So alt wie“ (vierter Song) gibt es auch reichlich inhaltliche Parallelen, wenn es um’s tägliche Saufen oder das Alter geht; sicherlich nur ein Zufall. Vielleicht eine Erfahrungs- und Seelenverwandtschaft? J Letztlich wirkt das gesamte Projekt sehr spritzig, gelegentlich witzig, manchmal leise tiefsinnig, aber immer voller Volumen. Und die vermeintliche Stille in manchem Song ist böse trügerisch, wenn es im darauffolgenden Song wieder mächtig, lauthals abgeht. Eine absolute Festivalband mit kollektiver Party- und Tanzgarantie, die allerdings noch eine Menge Platz in ihrem Tourkalender hat. Geheimtipp nicht nur an die Festivalbooker! Ich würde sie mir definitiv reinziehen, auch wenn es kein wirklicher Ska ist und auch etwas plakativer rüberkommt. DerDUDE
Zur CD-Verlosung (Einsendeschluss 24.5.2018)
Sentilo Sono, „Dann halt nich“, Soulfire Artists, CD/Digital 05/2018
„Dann halt nich“ ist eigentlich ein sehr gefährlicher Titel für eine CD, mit dem Schreiber ganz schnell Schabernack treiben könnten. Ich werde es dann halt nich‘ tun. Was da aus dem Süden Deutschlands, genauer gesagt München, kommt ist sehr variantenreich und OK. In den mageren sechs Stücken geben sich Ska, Ska-Punk und Reggae die musikalischen Türklinken in die Hand. Deutsche Texte zwischen Ironie und Tiefgründigkeit schleichen sich durch die Songs.
Das Ganze hat noch etwas Luft nach oben, wenn es um die stilistische Innovation geht. Das heißt ja nicht, dass die ganze Scheibe dann halt nich(ts) taugt. Es ist fetziger, lauter Ska-Punk mit deftigem Gesang; und dann wieder klassischer Offbeat mit reichlich Variation durch Megafon, Reggae- und Balkaneinflüssen, was insgesamt schon mal etwas irritieren kann. Die sieben Musiker präsentieren hier ihre vierte Scheibe, die sich vor allem durch die Unterschiedlichkeit der einzelnen Songs hervorhebt. Spannend ist dies allemal. Der ein oder andere würde sich vielleicht eher eine deutlichere stilistische Linie wünschen. Live dann halt doch noch deine Empfehlung. DerDUDE
Zur CD-Verlosung (Einsendeschluss 24.5.2018)
Skassapunka, „Adelante“, Kob Records, CD 2/2018
Die italienische Sound-Troika könnte fast charmant Talskatidos heißen. Eine linguistisch-kubistische Melange aus Talco, Skassapunka und Los Fastidos. Eine gewisse Ähnlichkeit der Stile ist auch nicht von der Hand zu weisen, gehen Sie doch weitgehend gemeinsam den lauteren Weg des flotten Ska-Punk mit deutlich politischen Texten.
Gerade erst 2017 haben Skassapunka ihr drittes Album „Rudes Against“ rausgehauen, da kommt schon der nächste akustische Schmaus in italienisch-englischem Sprachgewand. Immerhin sechs neue Titel sind dabei, während die weiteren fünf Songs remastered wurden. Warum nicht, denn es gibt etwas Besonderes zu feiern: 10 Jahre Skassapunka! Zehn Jahre faszinierende Variationen zwischen softerem 2-Tone und krachendem Ska-Punk, wobei hier, neben den Uptempo-Stücken, auch immer wieder leisere Atempausen eingebaut wurden.
Vor dem Background des schleichenden, politischen Rechtsrucks in Europa klingen die meisten italienischen Texte moderner und aktueller denn je.
Fazit: Insgesamt elf Songs, die vorantreiben, vorwärts gehen. So heißt auch der CD-Titel „Adelante“ vorwärts. Vorwärtstreibend sind sie bei ihren zahlreichen Livekonzerten, nicht zuletzt auch in Deutschland.
Die Docs angezogen, ab geht’s „We Want To Dance Ska“ with you. Adelante eben. DerDUDE
Track-Liste:
01 Adelante | 02 Crazy Town | 03 El Pueblo Unido Jamas Serà Vencido | 04 Entusiasmo y Venceremos | 05 Nino | 06 Back to the Past | 07 Briza De Esperanza | 08 Ora | 09 Rudes Against | 10 We Want To Dance Ska | 11 Giorno Zero (acoustic)
Leuchtstoffmöhre, Eigenvertrieb, CD 2018
Das ist instrumental und stimmlich mal richtig erfrischend und unkonventionell, ähnlich wie der Bandname. Mit Song eins „Böller“ geht das bunte Feuerwerk los: „Bam, bam, bam …“. Mit melodischer und durchschlagender, etwas schriller, weiblicher Stimme geht es selbstbewusst durch die Uptempo-Songs. Schön! Fetzig und gut gespielt mit deutschen Texten „peng“.
Kleine Erinnerungen an die Neue Deutsche Welle kommen einem schon in den Sinn. Das hat ganz schön Power, wenn es rasant durch die, leider nur fünf Songs geht, die von schnellem Ska, Rock und Punk geprägt sind, ohne den klassischen Ska-Punk zu bedienen.
Das auf dem Cover mal der Drummer vergessen wurde oder die Zeitangaben leicht futuristisch daherkommen ist dabei jetzt nicht ganz so schlimm. Textlich geht es jedenfalls sehr modern zu, wenn es um Microsoft, das Internet oder „Hotel Mama“ geht. Ein schöner Vorgeschmack von der achtköpfigen Band aus Karlsruhe, die sicherlich noch nicht alle Böller verschossen haben. DerDUDE
The Nutty Boys, „Got Your Dancing Shoes”, CD 3/2018, Soulfire Artists / Galileo Music
Es erinnert leicht an die zahlreichen, coolen Ska Jazz Ensembles, die sich global in der Musikwelt tummeln. Was hier im März 2018 erscheint, kommt von einer Freiburger Band, die gerade mal zwei Jahre jung ist und mit „Got Your Dancing Shoes” ihr Debutalbum feiert: The Nutty Boys. Sechs Musiker, die richtig Bock auf Ska-Jazz mitbringen und die Instrumente packend zum Leben erwecken. Das erfahrene Set stellt sich recht international vor: USA, Germany, Japan, Australia, Bavaria und Black Forest. Ähm, Bavaria? Black Forest (Schwarzwald)? Da scheint der ein der andere Exit an mir vorbei gegangen zu sein. ;-)
„Got Your Dancing Shoes” ist auch die Aufforderung, das Tanzbein zu schwingen und sich von den groovenden Instrumentals einheizen zu lassen. Acht Stücke gibt es davon, die sich zwischen treibenden jamaikanischem Ska, Jazz und Reggae hin und her bewegen. Bei drei schmucken Stücken gesellt sich der bezaubernde, weibliche Gastgesang von Anja hinzu. Für mich persönlich hätte es auch etwas mehr Gesangsstücke geben können. Die schmetternde Trompete und das fette Saxofon beherrschen weitgehend das musikalische Spielfeld und sind fesselnd dauerpräsent und tonangebend. Die Spielfreude ist auf der Platte bei allen elf Stücken deutlich zu spüren. Das ist sauber gespielt und sauber produziert. Eher fein als laut. Eine sehr runde, melodische und gut abgestimmte Kreation.
Wer frischen traditionellen, jamaikanischen Ska und Jazz mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Eine Neigung zu instrumentalen Stücken sollte der interessierte Hörer mitbringen. Ein schönes, tanzbares und abwechslungsreiches Werk. Live gibt es sie dann im März und verteilt auf den Rest des Jahres 2018 auf Tour. Auf der Releaseparty im März in Freiburg darf ich sie auch live erleben und die ein oder andere Scheibe dazu drehen. Das macht jetzt schon Lust auf mehr. DerDUDE
The Bennies, "Natural Born Chillers", Uncle M Music / Cargo Records, CD 2018
Gestartet ist die Scheibe „Natural Born Chillers“ im Februar 2018. „Nach hunderten völlig zerlegten Clubs …“ so der Pressetext, erwartet man natürlich jetzt den absoluten Hammer. Ein Feuerwerk zwischen Ska, Punk, Elektro und Crossover kommt auf uns zu. Nach der ersten Hörprobe glaube ich dem Text des Labels und den vier Australiern sogar, fast.
Aber acht Songs sind jetzt dann auch erst mal eher mager. Da muss doch mehr aufgenommen worden sein, als die Jungs die großen Bühnen der Welt geentert und „geschrottet“ haben. Oder war das Equipment nach den Pogo-Exzessen schon so defekt, dass keine weiteren Aufnahmen möglich waren? Und ich glaube, dass sie gar nicht so böse sind, sie machen einfach leidenschaftlichen, schnellen, gitarrenbetonten Ska-Punk auf den man prima abgehen kann.
Der Titel „Natural Born Chillers“ ist recht witzig und natürlich eine Anlehnung an den relativ brutalen, aber gut gemachten Film "Natural Born Killers" aus 1994. Gott sei Dank wird hier dann doch eher gechillt als gekillt. 500 limitierte, schwarze Platten klingt auch für Vinylisten nach einer schönen Sache. Ungewöhnlich ist der Synthi, der immer wieder in den Punkrock eingreift. Das hört sich dann so etwas amerikanisch postmodern an.
Ich sehe sie definitiv auf den großen Festivalbühnen des Sommers 2018. Da passen sie hin. Alleine im April und Mai 2018 spielen sie zuvor 13 Konzerte in Deutschland. Ein wirkliches, musikalisches Konzept steckt hinter der CD nicht, so mein Eindruck - vielleicht einfach nur Spaß an der Vielfalt. Aber live wird sie Band sicherlich der Hammer sein, auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass sie den ein oder anderen Club bzw. Bühne ganz lassen werden. Ich werde sie mir in jedem Falle live anschauen und abtanzen. Die CD ist ein sehr guter Einstieg dafür. DerDUDE
Toxkäpp!, "e quante Sprong", Selbstvertrieb CD 2017
2-Tone Ska aus Luxemburg mit einer über 22-jährigen Bandgeschichte, die wohl einigen verborgen geblieben ist.
Ursprünglich im Punkrockstil unterwegs geben die acht Musiker nun der 2-Tone Aera der 70er und 80er Jahre neue Nahrung für deren Auferstehung im Kleinstaat mitten in Europa.
Stilistisch legen die "Dickköpfe" gleichermaßen Wert auf bedeutungsschwangere Texte und authentischen Sound. Das gefällt ebenso wie die gleichbleibende Konstanz der Qualität. Da steckt eine Idee hinter, ob man sie mag oder nicht. An den heimischen Dialekt muss man sich einfach dann doch noch gewöhnen. Aber so wirkt es natürlich auch wesentlich authentischer. Die neue Scheibe „e quante Sprong“ beinhaltet 12 Songs, die durchgängig die etwas seichtere Variante des 2-Tone Ska spielen, ganz ohne Dramatik. Inhaltlich geht es in erster Linie um sozialkritische und politische Texte, die auch einen lokalen Bezug besitzen. Die Liveerfahrung seit 1995 führt auch zu den Begegnungen mit Madness, The Slackers, The Toasters, Ska-P oder Mark Foggo. Ganz in dieser Reihe sehe ich sie noch nicht wirklich – Da fehlt einfach noch etwas der Pep. Ein Livekonzerterlebnis könnte hier Abhilfe schaffen. Spannend sind alte „Neuentdeckungen“ allemal. DerDUDE
Announced Revolution (aRevo), Weiter Geht's, CD 12/2017
Zehn Jahre aRevo. Ich erinnere mich an längst vergangene Zeiten, wo ich dachte, deutschsprachiger Ska geht gar nicht. Angekommen im spätpostmodernen 21. Jahrhundert geht auch mal luxemburgischer Akzent (siehe Toxkäpp!) oder hier der Wiener Dialekt. So etwas ungewohnt bleibt trotzdem beides. Nach 2010 "Eskalation" und 2013 "Das Orange Album" nun im Dezember 2017 „Weiter Geht’s“.
Die neun Wiener Jungs machen weiter so. „Weiter Geht’s“ mit 14 Strizzi-Songs im Ska-, Reggae-, Rocksteady- und Pop-Punk-Jazz-Gewand (wie ich diese gruseligen Zungenbrecher hasse). Die Musik käme nicht aus dem schönen Wien wäre sie schnell, übertönend oder laut. Nein sie ist eher leise, voller Tiefgang in Gedanken an den Strizzi, der Wiener Seele in Person, die viele Geschichten zu erzählen hat und eine Art Stehaufmännchen ist. Er scheint recht umtriebig zu sein, der gute, alte Strizzi, den es wohl zu Tausenden gibt, aber ihn noch keiner wahrhaftig in einer Person gesehen hat, weil er auch ein wenig in allen steckt. Auf Punkkonzerten ist bürgerliche Strizzi eher selten, was der Platte auch nicht schadet.
Nun sind drei Scheiben in zehn Jahren nicht wirklich viel, aber insgesamt ist das Projekt eine ehrliche, runde, melodische und charmante Sache, die gar nicht mal so schief, vielfältig und chaotisch klingt wie angekündigt. So kann es weiter gehen! DerDUDE
Talco
“And The Winner Isn’t”
Long Beach Records Europe, CD 2018
Vielleicht liegt es an meinem gehobeneren Alter, aber manchmal finde ich im diffusen Zeitalter, wo alles immer und überall geht, eine gewisse Konstanz ganz nett. Und dafür stehen Talco aus Marghera, Venedig. Ihnen scheint die Luft nie auszugehen, die sozialkritischen Themen schon gar nicht. Auch auf der neuen, siebten Scheibe „And The Winner Isn’t“, die am 23. Februar 2018 erscheint, geht es wie gewohnt laut, unaufhaltsam und kompromisslos in die nächste musikalische Ska-Punk-Runde. Combat Ska halt, so der eigens bezeichnete Musikstil.
Nach „Silent Town“ (2015) ein erneutes Lebenszeichen der sechsköpfigen, italienischen Band, die bereits seit 2001 die Musikwelt und Politik durch- und aufwühlt. Nein Filigranität ist nicht angesagt. Wie könnte auch eine Musik leise und sanft melodisch klingen, wenn die Texte Gewalt, Ungerechtigkeit und Korruption thematisieren und anklagen? Da muss es einfach auch raus – ein akustisches Ventil. Es gibt fetten Ska-Punk-Rock mit überwiegend italienischen Texten auf die Ohren, deren Ehrlichkeit manch italienischem Politiker nicht gefallen dürfte. Schmetternd, auch durch die Trompeten unterstützt, wird die Wahrheit aus vollem Hals und mit gewaltiger Stimme von Dema, dem Sänger, in die Welt „posaunt“. Der chorale Gesang macht die voluminösen Kompositionen perfekt. In satten 13 Songs geht es mächtig rund, was nichts für sanfte Ohren ist. Auf der kleinen Deutschlandtour 2018 kann man sich auch live von der stetigen Qualität überzeugen lassen. Definitiv auch zertifiziert und empfohlen für ältere Semester. DerDUDE
Zum Interview aus 2016 (engl.)
Review "10 Years - Live in Iruna" (2014)
1 Al Parto Sfigurato Della Superiorita | 2 Onda Immobile | 3 Senor Hood | 4 Bomaye | 5 Reclame | 6 Lunga La Macabra Stanza | 7 And The Winner Isn't | 8 La Verita | 9 Intervallo | 10 Domingo Road | 11 Avatar | 12 Matematica Idea | 13 Silent Avenue (Nella Strada II)
The Tips, “Come Closer”, Long Beach Records Europe, EP 2018
The Tips gehörten für mich schon 2016
zu meinen persönlichen Top-
Neuentdeckungen. Die Scheibe
„Twists’n’Turns“ hat mich schwer
beeindruckt. Als ich die drei aufgedrehten
Düsseldorfer auch noch live im Kölner
Underground erlebt habe, war die
musikalische Liebe besiegelt. Das Gefühl
hätte allerdings auch schon früher
eintreten können, denn es war bereits
ihre dritte Scheibe.
Dann der Schock im April 2017, den ein erfolgreiches, aufstrebendes und
junges Rock-Reggae-Trio nun gar nicht gebrauchen kann. Gründungsmitglied,
Sänger und Hammergitarrist Aljoscha „Ali“ Thaleikis verabschiedet sich
schweren Herzens aus der Band. Und nun? Die prägende Stimme und akustisch,
visuelle Einheit von Sänger und Gitarre war sicherlich auch ein Markenzeichen.
Für ein „Kopf in den Sand stecken“ sind Philip (Bass) und Janosch (Drums)
einfach zu sehr leidenschaftliche Musiker. Gefunden haben sie Stefan, der seine
Sache richtig gut macht. Es ist natürlich etwas anders, aber auch er hat sein
musikalisches Herz an der richtigen Stelle und feuert seine ganze Stimmgewalt
in das Mikro. Ein deutliches (Lebens-)Zeichen setzt die neue Konstellation mit
der aktuellen EP „Come Closer“ mit fünf Songs, die am 3. Februar 2018
erscheint.
Der spritzige Mix aus Rock, Reggae, Ska, Punk und Soul gelingt auch bei den
Auferstandenen. Sehr deftig fängt es mit dem Song „My Days“ an, wo sich
rockige, fast metalmäßige Elemente tatsächlich ein Stelldichein mit dem Offbeat
geben. Sehr fett, energiereich, voluminös, krachend. Melodiöser und ruhiger
geht es in Song zwei „Go“ weiter. Etwas nachdenklich und deutlich
reggaelastiger. Nix mit Ausruhen in Titel drei „Come Closer“, der von
Ska-Punk-Sounds geprägt ist. Ska-P lässt schön grüßen. Tanztechnisch
bedeutet das dann einen schnellen Wechsel zwischen Skanken und Pogen,
das gefällt (mir). Eventuell doch eine erste Ansage, wo der Weg hingeht, so ist
es doch zugleich der Titel der EP. Song vier „Wait & Buy“ geht wieder etwas
mehr experimentell, aber voller Energie zwischen Rock und Dub nach Vorne.
Insgesamt ist diese EP vielleicht auch ein wenig ein Experiment, wo es in
Zukunft hingehen soll. Sie machen ihre Erfahrungen mit dem sehr breiten
Spektrum umzugehen, um ihren Weg mit dem neuen Sänger zu finden. Toll,
dass sie wieder spielen. Auf das nächste Konzert und weitere
Veröffentlichungen kann man sich auf jeden Fall freuen, auf das viele neue
musikalische Lieben entstehen mögen – Love & Peace. DerDUDE