Ska-Stile
Folgende Tabelle soll versuchen(!), die Stilrichtungen und die Entwicklungen des SKA in seinen Grundzügen nachzuvollziehen. Die einzelnen Stilrichtungen mit den Bands/Musikern zu verbinden und zeitlich einzuordnen, ist natürlich ein schwieriges Unterfangen, da es sicherlich keine feststehenden Größen sind (Überschneidungen / Einflüsse). Aber damit muss man bei solchen Übersichten leben. (0)
Stil
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Band / Musiker (1) u.a.
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Time, ca./bis heute
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Alpha Boy's School (Jamaika)(2)
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Don Drummond, Rico Rodriguez u.a. (Alpha Band - später Skatalites)
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Schulgründung: Ende 19. Jahrhundert
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Mento /Calypso |
früher Laurel Aitken (jamaikanische Volksmusik)
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40er Jahre
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(Sound Systems)(3)
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Sir Coxsone Dodd, Prince Buster
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Ende der 40er Jahre
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Rhythm & Blues, Rock'N'Roll (4)
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The Who
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50er Jahre
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Rhythm & Blues - Soul (4)
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frühen Pyramids
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50er Jahre
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Jazz, Ska-Jazz
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Don Drummond (frühen Skatalites), Owen Grey
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ab 1956/1963
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Ska, traditional Ska, Bluebeat (GB) |
Desmond Dekker, Lee Perry, Skatalites, heute u.a. Yebo
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frühen 60er Jahre (1962)
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Rock Steady
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Desmond Dekker, The Wailers ('66), Slickers
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ab 1966
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Skinhead Reggae (5)
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Joe Gibbs, Symaryp (6), Pioneers, Greyhound, Upsetters
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1968-1972
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Reggae
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Bob Marley, The Wailers ('69), Peter Tosh
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ab 1968
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2 Tone
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The Specials, Madness, Selecter
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ab 1978/79 - 1982 (2. Ska-Welle)
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Latin(o)-Ska
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Desorden Público ('85)
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frühe Einflüsse
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"New Ska"(10)
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Third Ska Wave (allg.), Mr. Review, Hotknives, Skaos
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Mitte 80er Jahre (3. Welle) |
Ska, Raggamuffin, Rap, Dub, Hiphop
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No Sports, frühen Operation Ivy, CJC
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Mitte/Ende 80er Jahre
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Ska-Core, Fun-Ska (9) |
Mark Foggo, Vom Meister Empfohlen, MMB (Ska-Core)
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Ende 80er Jahre
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Oi Ska
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80er Jahre
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Ska Punk
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The Mighty Mighty Bosstones, Reel Big Fish, First8, No Authority, No Life Lost, Skafiled (8)
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Mitte 80er und 90er Jahre
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Punk SKA(-Core)
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Choke, Skaladdin
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90er Jahre, 2000
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Ska-Rock, Ska-Pop
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No Doubt, The Busters (heute), Hot Pot, Plowking
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90er Jahre, 2000
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(modern) Reggae-Ska
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frühen Yellow Umbrella, Skanalintruder
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"
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postmodern Ska (7) Crossover Ska |
Yellow Umbrella, Frau Doktor, Greedy Bees, Los Placebos, Out Of Frame, Crossover: BeNuts, DeRuths
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"
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Streetska
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Scrapy
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"
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Skacid, Sk'house | div. DJs, LongsyD, Bad Manners |
seit Anfang 90er
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multikultural Ska (7)
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Wisecräcker
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"
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Spätestens nach der 2-Tone Aera beginnt die "postmoderne Phase" des SKA, die teils in der 3. Welle integriert ist, teils aber auch höchst seltsame, eigene Wege geht. Klar ist, dass hier der Punk der frühen 70er seinen Einfluss nimmt und den SKA in temporeiche Höhen schnellen lässt. Dem Ska-Punk.
"postmodern SKA" beschreibt dann die Situation, dass alle alten Stilrichtungen (klar) gespielt werden, aber Brüche und Mischung nahezu unbegrenzt erlaubt und gewollt sind. In manch einem Interview, wird dann auf die Frage, was sie denn für einen SKA spielen, geantwortet: Reggae-Pop-Jazz-Dub-SKA mit Punkeinflüssen. Tja, was es auch immer bedeuten mag. Kennzeichnend ist häufig, dass neben Mischungen in einem Song, auch ganze Scheiben aus Songs bestehen, die je für sich, einem Stil treu bleiben. Mit anderen Worten: Da steht dann schon mal ein reines Reggae-Stück neben einem Punk-Stück.
Aktualisierung: Postmodern Ska ist wohl dem Crossover gleichzusetzen.
Wir befinden uns in einer höchst multiplen (Musik-) Welt. Das heißt, dass wir oft in einem Definitions-Dilemma stecken, wenn wir Musik erfassen wollen. Eine
Möglichkeit diesem zu begegnen ist, die Vielfalt schlichtweg zu akzeptieren. Mit anderen Worten, wir befinden uns sowohl immer noch in der "3rd wave" als auch in einer neuen Bewegung
des "4th wave". Es läuft also parallel.
Was eindeutig im Vormarsch ist, ist sicherlich der Reggae-Ska á la Yellow Umbrella (was wohl an der neueren Reggae-Welle bei jungen Leuten liegt). In
diesem Kontext wird bei den Begrifflichkeiten immer häufiger mit Tauschspielen geprobt. Um den Trend zu beschreiben, bzw. überhaupt beschreiben zu können, wird dann schon mal der Ska-Punk zum
Punk-Ska, oder eben der Ska-Reggae zum Reggae-Ska. Des weiteren finden sich (zungenbrecherische) Bezeichnungen, wie SKA-Reggae-Punk-Pop oder SKA-Pop-Rock + "X".
Letztlich ist ein weiteres, neues Phänomen zu beobachten/hören. Etwas, was ich gerne als "multikultiural SKA" bezeichne und im Zusammenhang mit
der zunehmenden Mobilität in der heutigen Globalisierungsphase steht. Auch hierfür stehen Yellow Umbrella oder die Wisecräcker, die ihre musikalischen Erfahrungen aus Indien, Russland, Mexiko und
vielen anderen Ländern einbauen. Es erinnert mich immer etwas an die The Pogues, die die Irische Folklore dem Punk näher gebracht haben. Oder man erinnere sich nur an John Lennon und seine
musikalischen Ausflüge nach Indien. Zunehmend gelingt es nämlich, auch unbekannteren Bands, Konzerte und Kontakte (auch über das Internet) in anderen Staaten und Kontinenten abzuhalten/zu
knüpfen.
Der Effekt besteht darin, dass in vielfältiger Weise kulturelle Erfahrungen und Elemente in die Musik mit einfließen.
Und noch zwei weitere Gedanken in die Zukunft gerichtet:
Erstens:
Betrachte bzw. vergegenwärtige ich mir die Begriffe "Skacid" und "Sk'house", so könnte eine These lauten, dass in Zukunft der Weg zurück zu den Sound-Systems, Selecter
oder Toasters gefunden wird. Natürlich nicht im traditionellen Sinne, aber mit dem Hintergedanken, Ska neu abzumischen und neue Produktionen hierdurch zu schaffen.
Zweitens:
Sollte die Musik ein Spiegel der Gesellschaft und der sozialen Verhältnisse sein, werden sich mittelfristig natürlich auch die Themen der Songs der Ska-Musik ändern. Ob
das dann wirklich eine Neudefinition wert ist, lasse ich mal dahin gestellt.
Vielleicht macht es heute wirklich wenig Sinn, nach eindeutigen Bezeichnungen und Stilrichtungen zu suchen. Für uns Autoren entsteht allerdings ein Dilemma, mit dem wir umgehen müssen: Bands/Musik zu beschreiben, ohne sie einzuordnen!?
DerDUDE (2002)
P.S.: Die Anfrage (,die ich hiermit beantworte) und Anregung bezüglich der SKA Stile, stammt von Elcorason.
Hinweise:
(0) Quellen und Hinweise zur Geschichte des SKA findet ihr auch unter: Ska-Geschichte
(1) Der Hintergrund, warum in den frühen Jahren des SKA, in erster Linie Musiker (statt Bandnamen) auftauchen, liegt daran, dass u.a. die früheren Sound Systems (DJs), Musik komponierten und produzierten. Hierzu brauchten sie dann allzu oft Musiker, die lediglich kurzfristig einsprangen und die Musik umsetzten (häufig Skatalites-Mitglieder oder auch Laurel Aitken).
(2) "Alpha Boy's School" ist eine Schule für unterpreviligierte Kinder und Waisen, die Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde und Musiktalente unterstützte (Jazz, Bläser).
(3) Als "Sound Systems" bezeichnete man mobile Musikanlagen, mit deren DJs (Toasters) u.a. den SKA, R&B verbreiteten bzw. später auch eigene Kompositionen vorspielten. An Massenproduktionen war in dieser Zeit nicht gedacht. Es waren in erster Linie Unikate.
(4) Bei diesen Stilrichtungen, R&B, Soul, Rock, Mento aber auch Jazz handelt es sich natürlich nicht um Ska-Stile. Andererseits sind diese Einflüsse natürlich in den Gründungsjahren nicht wegzudenken.
(5) Zu diesem Begriff "Skinhead Reggae" gibt es einen ausgezeichneten Beitrag zur Entstehung unter: Skinreggae
(6) "Symaryp" ist eine etwas verunglückte Umkehrung des Bandnamens "Pyramids".
(7) Die Begriffe "multikultural Ska" und "postmodern Ska" sind keine gängigen Begriffe. Ich habe sie lediglich hier eingeführt, um ein Versuch zu starten, die neue Bewegung (4. Welle ?) zu beschreiben.
(8) Die Einordnungen der Bands zu den Stilrichtungen wurde von den Bands zum Großteil selber durchgeführt.
(9) Der Begriff "Fun-Ska" ist ebenso schwierig zu händeln, wie der Begriff "Ska-Core". "Fun" schreiben sich sowohl die Madness auf ihre Fahnen als auch die heutigen The Busters. Auch der "Ska-Core" entzweit die Geister. Wohl haben sich die MMB diesen Stil zugeschrieben, wobei "core" (dt. Kern, to the core: dt. bis ins Mark) für andere ein schneller, intensiver SKA (ohne Mischung) ist.
(10) "New Ska" kann man mit der 3. Ska Welle in Verbindung bringen. Für mich beginnt allerdings hier bereits die Spaltung und Mischung des Ska, wie es sich schon zuvor ankündigte. Ich darf hier vielleicht mal Lazy zitieren, der es so umschreibt: "Aber wie bezeichnet man den Krams anfang / mitte 80 ? Vielleicht "New Ska" .. er wurde halt schneller gespielt als man Ihn kannte, ein Nachfolger der 2tone zeit, nur gitarrenbetonter und schnellerer offbeat ... "